Madame de Maintenon
Regent.
Abb. 32 : Françoise im Alter. Kurz vor ihrem Tode mit dreiundachtzig Jahren empfing sie einen persönlichen Besuch des russischen Zaren, Peters des Großen. »Er schob die Vorhänge am Fußende meines Bettes zur Seite, um mich besser sehen zu können«, schrieb sie ihrer Nichte. »Natürlich war er vollkommen zufrieden.«
Abb. 33 : Ludwig en armure , im Alter. Ohne Zähne, ohne Haare, ohne Geschmacksempfinden, bewahrte er sich sein majestätisches Auftreten bis an sein Lebensende, einige Tage vor seinem siebenundsiebzigsten Geburtstag.
Kapitel 17
Kreuzfahrer
Weit im Westen, jenseits des Ärmelkanals, in dem riesigen Palast von Whitehall, hatte der englische Hof seine eigenen Probleme durchzustehen, die weitaus größer waren als ein Homosexuellen-Skandal oder ein Ausbruch von Hämorrhoidenleiden. Ihnen lag jedoch ebenfalls eine unkluge Partnerwahl zugrunde, die 1673 geschlossene Ehe zwischen Jakob, damals Herzog von York und Bruder von König Karl II ., und der italienischen Prinzessin Maria Beatrice d'Este, den Engländern bekannt als Mary of Modena. Noch nicht ganz fünfzehn, wollte Maria nicht an den ihr unbekannten, verwitweten, vierzigjährigen Jakob in England verheiratet werden. Selbst äußerst streng erzogen, hatte sie dennoch nach eigenem Eingeständnis die beiden letzten Tage und Nächte in Italien dauernd »gebrüllt und geschrien«, weil sie nicht gehen wollte.
Sie war dennoch gegangen, und während sie ganz dem Geschmack ihres dekadenten königlichen Gemahls entsprach, war sie bei der Bevölkerung insgesamt nicht willkommen. Jung, begabt und von berückender Schönheit, hätte Maria eine perfekte Gemahlin abgegeben, hätte sie nicht den einen unannehmbaren Fehler gehabt: Sie war katholisch. Die englischen Protestanten hatten sie verurteilt und verleumdet, sie zu einer Spionin des Papstes erklärt und sogar zu seiner leiblichen Tochter. König Karl II ., der seinen Katholizismus nicht zur Schau getragen hatte, war 1685 gestorben und hatte eine gesunde Brut von vierzehn illegitimen Kindern zurückgelassen, aber nicht ein einziges mit seiner Königin. Daraufhin hatte sein Bruder Jakob den Thron bestiegen, der, obwohl er offiziell Oberhaupt der protestantischen Kirche
von England war, aus seiner stramm katholischen Haltung keinen Hehl machte. Von den zahlreichen Kindern, die Maria in den gut 15 Jahren ihrer Ehe zur Welt brachte, hatte keines überlebt, doch im Juni 1688 war sie wohlbehalten von einem Sohn entbunden worden, was die protestantischen Engländer mit der Aussicht auf eine katholische Thronfolge konfrontierte.
Das war mehr, als sie ertragen konnten. Ende des Monats wurde der protestantische Prinz Wilhelm von Oranien von den »unsterblichen Sieben«, einer Gruppe englischer Adliger, aufgefordert, den Thron zu erobern. Wilhelm war mit Maria verheiratet, einer Tochter Jakobs aus seiner ersten Ehe; Maria war wie ihre Schwester Anne Protestantin. Im November 1688 setzte Wilhelm mit einer großen Söldnertruppe aus Holland über – es war, wie sich zeigte, die erste gelungene Invasion Englands, seit Wilhelm der Eroberer 1066 gelandet war. Einen Monat später verließen Jakob und seine Maria das Land; sie floh heimlich – »Diese Flucht wird eines Tages
785 als Romanvorlage dienen«, bemerkt Madame de Sévigné –, während er entschieden mit einer Eskorte ausreiste, um Zuflucht bei seinem Cousin Ludwig an dessen unangefochten katholischem Hof zu finden. Die Parlamente von England und Schottland erklärten Jakobs Ausreise für gleichbedeutend mit einer Abdankung; eine »Glorreiche Revolution« wurde verkündet, und Jakobs Tochter und ihr Ehemann bestiegen zusammen den Thron, um, wenn auch nur kurz, gemeinsam als Wilhelm und Maria
786 zu herrschen.
Am 6. Januar 1689, dem Dreikönigstag, wurden Jakob und Maria auf dem Schloß Saint-Germain untergebracht, zusammen mit ihrem kleinen Sohn James, dem »Old Pretender«, der später Vater von Bonnie Prince Charlie (Charles Edward Stuart) werden sollte, jetzt aber noch in den Windeln steckte. »Somit ist heute richtiges Fest der Könige
787 , angenehm für den, der Schutz und Zuflucht bietet, traurig für den, dem ein Asyl so dringend nottut«, schrieb Madame de
Sévigné an ihren Cousin. »Darüber ließe sich viel nachdenken und reden. Die Politiker wissen allerhand zu sagen« – die Nichtpolitiker allerdings auch: »Ich habe dem Herrn eine Frage gestellt«, setzte die mit Madame befreundete Frau Corbinelli in einem Postskriptum zu ihrem
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