Madame Fabienne
man doch hören.
Da fiel ihm aber auf, dass hinter ihnen der Mercedes langsam auf sie zufuhr. Das war Véronique, und sie hatte eine Pistole. Und Fabienne hatte diese zwei Typen im Esszimmer umgelegt; wenn er jetzt die beiden anderen um Hilfe bitten würde, gäbe es ein Massaker, oder? Er umklammerte das Lenkrad und sah durch die Windschutzscheibe: Nein, nein, er müsste jetzt an sich denken. Er hatte nicht die beiden umgebracht, man würde ihm doch glauben, oder?
Er müsste jetzt einen kühlen Kopf bewahren. Könnte er den Leuten begreiflich machen, dass Fabienne eine, eine... Da sprang die Ampel auf Grün, und der Streifenwagen fuhr davon. Es war zu spät. Zu spät. Für einen Moment schloss er die Augen, und man hörte, wie draußen der Wind auffrischte. Fabienne beugte sich ein Stück zu ihm nach vorne und sprach mit weicher Stimme: "Wir müssen jetzt weiter, oder wir fallen auf."
Er nickte nur und gab sachte Gas. Im Rückspiegel konnte er sehen, dass der Mercedes dicht hinter ihnen fuhr. Jetzt hing er endgültig in der Sache mit drin. Er war nicht mehr unschuldig, und er müsste das wohl ertragen. Ob er diese Nacht überstehen könnte? Er wollte doch leben und frei sein.
*
Fabienne saß im Fond des Wagens und schaute durch die Heckscheibe: In der Ferne konnte man Scheinwerfer erkennen, vielleicht war es Véronique mit dem Mercedes. Sie schloss einen Moment die Augen, damit sie sich besser konzentrieren konnte. Es war Véronique, aber sie hatte sich weit zurückfallen lassen.
"Stimmt irgendwas nicht?"
Fabienne drehte sich wieder nach vorne und sah, dass Jean Claude sie im Rückspiegel beobachtete. "So weit läuft alles wie geplant."
"Aha, und wie geht es jetzt weiter?"
"Wir fahren nach Oppau." Auf ihrer rechten Seite lag die BASF mit ihren Lichtern, Silos und qualmende Schornsteine. Fabienne zeigte nach vorn, "Es ist diese Richtung, oder?"
"Wir sind gleich da."
"Gut." Sie sah durch eine Seitenscheibe, ohne noch etwas zu sagen. Es war wichtig, dass niemand sie beobachten würde, wenn sie die Toten unter die Erde brachten. Und natürlich müssten sie sich beeilen: Wenn das Tageslicht erst mal käme, sollten sie wieder in ihrem Bungalow sein. Ob sie sich auf Jean Claude verlassen könnten? Hoffentlich, denn sie brauchten ihn: Er müsste ihnen beim Graben helfen und später mit der Fabrik verhandeln. Schließlich hatten sie noch nicht ihr Geld bekommen.
Sie erreichten nun Oppau, und Jean Claude sah wieder in den Rückspiegel, "Und wohin fahren wir jetzt?"
Sie zeigte ihm die Richtung an, "Hier bitte abbiegen?"
"Hier?"
"Ja."
Jean Claude lenkte den Wagen in die Seitenstraße, wo sonst niemand mehr unterwegs war. Links und rechts standen Wohnhäuser, manchmal mit Vorgärten; am Gehsteig waren fast überall Autos geparkt. Im Schein der Laternen sah man, wie es nieselte.
Sie konnte nun etwas Negatives spüren: Hinter ihnen befand sich Véronique, aber was war vor ihnen? Sie wandte sich an Jean Claude und fing an zu flüstern, "Fahr mal langsamer."
"Warum denn?"
"Jetzt mach schon."
Jean Claude schaltete einen Gang nach unten, und gleich darauf passierten sie ein Restaurant, das offenbar geschlossen hatte. Die Fenster waren nämlich alle dunkel, und die Leuchtreklame über dem Eingang war ausgeschaltet. Doch zwei Männer kamen gerade heraus, und man hörte, wie sie sich unterhielten. Die beiden sahen in ihre Richtung, aber im nächsten Moment waren sie schon weiter gefahren, und die zwei verschwanden aus ihrem Blickfeld.
Fabienne versuchte, sich zu entspannen, aber das negative Gefühl war immer noch da. Irgendwas kam auf sie zu. Sie beugte sich ein Stück nach vorn, damit sie leiser sprechen konnte: "Halt hier mal an."
"Gleich hier?"
"Ja, sofort."
Jean Claude parkte den Audi am Straßenrand und stellte den Motor ab. Der Schein einer Laterne traf sie, was natürlich ungünstig war. Einzelne Regentropfen platzten auf der Windschutzscheibe und liefen als Strähnen nach unten. Jean Claude drehte sich nun auf dem Fahrersitz nach hinten, "Was machen wir jetzt?"
"Wir warten einen Moment."
Er sah sie fragend an, aber sie schwieg.
Irgendwas lauerte da draußen auf sie. Es kam diese Straße entlang und würde gleich auf sie treffen. Sie löste den Sicherheitsgurt und duckte sich auf der Rückbank. Jean Claude drehte sich wieder nach hinten, "Ist irgendwas?"
"Pscht. Verhalt dich ruhig."
Er wandte sich wieder nach vorne und legte die Hände aufs Lenkrad. Es war ganz still, nur manchmal hörte man, wie der
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