Madame Fabienne
die Brücke, die auf die andere Seite führte. Fabienne beugte sich zu ihm nach vorne und fing an zu flüstern: "Wir warten hier, ja?!"
"Alles klar." Er hielt den Wagen am Straßenrand und schaltete den Motor aus.
Der Mercedes fuhr nun langsamer und parkte ein Stück weiter. Einen Moment passierte gar nichts, dann stieg Véronique aus. Sie hatte etwas bei sich, offenbar eine Plastiktüte. Sie hastete zum Hafenbecken und kam zu einer Stelle, wo es eine steile Böschung gab. Als sie nach unten ging, streckte sie die Arme aus, um so besser das Gleichgewicht wahren zu können. Nun verschwand sie aus seinem Blickfeld, und Jean Claude drehte sich nach hinten zu Fabienne, "Was soll das denn werden?"
"Es ist gleich erledigt."
"Aha", Jean Claude wandte sich wieder nach vorne und ließ die Scheibe auf seiner Seite einen Spalt nach unten. Es nieselte nur noch, und manchmal trieb der Wind einzelne Regentropfen in den Wagen hinein. Auf einmal gab es ein Geräusch, das man nicht näher bestimmen konnte, vielleicht war es ein Platschen gewesen. Gleich darauf erschien Véronique auch wieder auf der Böschung, allerdings fehlte nun die Plastiktüte.
Vielleicht war etwas darin gewesen, was verschwinden musste. Natürlich, sie hatte es ins Wasser geworfen.
Véronique erreichte wieder die asphaltierte Straße und musste den Schein der Laternen durchqueren. Sie kam zurück zum Mercedes und glitt hinters Lenkrad, aber der Wagen blieb auf der Stelle stehen.
Fabienne sprach leise zu ihm: "Jetzt fahren wir voraus."
"Bitte?"
"Wir fahren voraus."
"Ah so", Jean Claude wandte sich ihr zu, "Und wohin?"
"Erst mal geradeaus."
"Alles klar", er nickte und ließ den Motor an.
Sie fuhren über die Brücke und hatten nun die Parkinsel im Rücken und die Stadt vor sich. Unter ihnen befand sich das Hafenbecken mit seinem dunklen Wasser, das ganz glatt war. Gleich darauf passierten sie die Endschleife der Straßenbahn und das Amtsgericht. Im Rückspiegel konnte er sehen, dass der Mercedes ihnen zwar folgte, aber einen großen Abstand hielt. Sie erreichten schließlich die Mundenheimer Straße. "Was jetzt?"
"Geradeaus."
Er nickte nur und fuhr weiter. Links und rechts standen alte Häuserzeilen, die fast ganz dunkel waren. Passanten konnte man keine mehr entdecken, obwohl an den Gehsteigen überall Autos geparkt waren. Die Laternen warfen ihren fahlen Schein, aber es gab auch Stellen, die so finster waren, dass man sie nicht einsehen konnte.
Wie viel Zeit würde wohl noch bleiben, bis der Tag anbrach? Wenn die Sonne aufstieg, wollte er nicht mehr die beiden Toten im Kofferraum haben. Unauffällig sah er in den Rückspiegel und beobachtete Fabienne: Sie saß ganz still im Fond des Wagens und schaute nach vorne; in ihrem Gesicht blieb alles starr, und ihre braunen Augen sahen wässrig aus.
Wie lange war es eigentlich her, dass er sie am Bahnhof Mitte abgeholt hatte? Nur ein paar Tage, mehr nicht. Aber jetzt kam es ihm doch so vor, als liege das schon ewig zurück. Als er sie damals im Rückspiegel betrachtet hatte, war sein Leben noch in Ordnung gewesen.
Er dürfte nicht verrückt werden.
Sie erreichten nun die Innenstadt und kamen schnell voran, weil es auch hier keinen Verkehr mehr gab. Als sie aber auf die nächste Kreuzung zufuhren, sprang die Ampel auf Rot, und sie mussten halten. Weit und breit konnte man sonst niemand mehr entdecken. Es nieselte immer noch, und auf dem Asphalt hatte sich ein Wasserfilm gebildet, in dem das Licht der Laternen glänzte.
Auf einmal näherte sich ein anderes Auto und hielt direkt neben ihnen. Es war ein Streifenwagen, in dem zwei Personen saßen: ein Mann hinterm Lenkrad und eine blonde Frau auf dem Beifahrersitz. Es sah so als, als würden sich die zwei unterhalten.
Ein Schauer floss ihm über den Rücken, und für eine Sekunde stand ihm vielleicht der Mund offen. Ob die beiden über sie sprachen? Was sollte er denn jetzt machen? Jetzt könnte er doch rausspringen und den beiden sagen, dass sie diese Toten im Kofferraum hatten.
Eigentlich hatte er doch mit der Sache gar nichts zu tun.
Er sah noch mal in den Rückspiegel und bemerkte so, wie Fabienne ihn anstarrte. Mit ihren Augen stimmte etwas nicht, denn die braune Farbe wirkte nun besonders intensiv. Wie unangenehm! Er wandte den Kopf gleich wieder ab und sah noch mal zum Streifenwagen, wo sich die Blondine gerade von ihm abwandte und in eine andere Richtung zeigte. Offenbar erklärte sie ihrem Kollegen etwas.
Sollte er um Hilfe rufen? Das würde
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