Madame Fabienne
gleich hätten sie es auch geschafft. Sie ließen den Toten ins Grab gleiten, und dabei gab es einen Plumps, der ihm überlaut vorkam.
Einen Moment verhielten sie sich ganz still, und man hörte, wie der Wind wieder auffrischte. Die Nebel drehten sich über die Felder, und am Nachthimmel zogen helle Wolken. Flüsterte da wer? Waren das Stimmen, oder lag es daran, dass ihm Schlaf und Ruhe fehlten? Fabienne kam zu ihnen und hielt mit einer Hand ihren Wollmantel geschlossen: "Es sind nur die Toten. Sie tun uns nichts. Weiter."
Sie gingen wieder zum Audi und packten den zweiten Leichnam. Er würde das doch durchhalten, aber wie ihm die Finger weh taten. Nach ein paar Schritten stolperte er über irgendwas und fiel auf den Feldboden, dabei riss es auch Véronique um. Sein Kopf tat ihm weh, hatte er sich die Schläfe an einem Stein aufgeschlagen? Er konnte nicht aufstehen, und sein Atem kam viel zu laut.
Auf einmal erschien Fabienne über ihm und reichte ihm eine halb volle Flasche. Er trank sofort gierig daraus, aber Fabienne zeigte ihm an, dass auch noch etwas für Véronique übrig bleiben musste. Er zögerte ein wenig, gab dann aber nach. Als Véronique den Rest von dem Mineralwasser trank, schaute er extra woandershin.
Fabienne wandte sich wieder an sie und zeigte auf den Toten, der auf dem Boden lag, "Es wird Zeit."
Sie mühten sich auf die Beine und packten wieder an. Diesmal gelang es ihnen, den Toten bis zum zweiten Grab zu tragen: Er glitt ihnen aus den Händen und fiel ins Loch. Ob das jemand gehört hatte? Sie schnauften und konnten einen Moment nicht sprechen. Fabienne hatte inzwischen die leere Flasche zurück zum Mercedes gebracht und kam wieder zu ihnen.
Sie schwiegen und blickten auf die zwei offenen Gräber. Man hörte nur, wie der Wind durch die kahlen Bäume blies. Am Nachthimmel zogen immer noch Wolkenfelder, und manchmal fing es an zu nieseln. Irgendwie hatte er jetzt den Eindruck, es sei ein wenig heller geworden. Kam nun der Morgen? Wenn er doch nur etwas essen könnte? Und er brauchte natürlich Schlaf.
Er schaute wieder in die offenen Gräber, wo nun die Toten lagen.
So sah das also aus, so würde man mal enden. Er wollte aber leben, er hatte doch noch so viel vor. Schon seltsam, an diesem Abend hatten die beiden noch geatmet. Und jetzt...
Fabienne wandte sich an ihn, "Willst du noch was sagen? Ein Gebet vielleicht?"
"Bitte?" Er musste einmal schlucken, "Ich bin kein Geistlicher."
Fabienne sah zu Véronique, aber sie reagierte nicht darauf. Sie schwiegen noch einen Moment, dann gab Fabienne ihnen ein Handzeichen: "Es ist genug. Zuschütten."
Jean Claude nahm wieder den Klappspaten und fing an, den Toten zu begraben. Schon bald konnte man ihn nicht mehr sehen. Jetzt war es einfacher als vorhin, aber trotzdem fielen ihm Schweißperlen vom Gesicht. Sein weißes Hemd war verschmiert mit Schmutz und klebte ihm auf der Haut. Wenn der Wind auffrischte, fing er an, auf dem Rücken zu frieren, aber er würde den Rest doch auch noch durchhalten, oder?
Man konnte hören, wie sie schnauften. Gleich hätten sie es geschafft, gleich wären die Gräber zugeschaufelt. Wie tief er sich immer wieder bücken musste. Die Nebel schienen nun noch dichter zu werden— war das gut für sie oder schlecht? Auf alle Fälle würde schon bald der Morgen kommen, und dann müssten sie hier verschwunden sein.
Waren da Stimmen?
Egal, er schüttete weiter Erde ins Grab hinein, und allmählich füllte sich das Loch. Fabienne kam wieder zu ihm und zeigte auf ihre Armbanduhr: "Wir müssen uns beeilen."
Er reagierte nicht darauf und malochte in dem gleichen Tempo weiter. Fabienne sah ihm noch einen Moment zu, ging dann aber wieder zu Véronique. Sie sagte etwas auf Französisch zu ihr, was er nicht verstehen konnte. Schweiß tropfte ihm von der Stirn und fiel ihm auf die Arme. Gleich wäre es so weit, gleich wäre es geschafft.
Er taumelte ein Stück zurück und betrachtete sich den Boden: Konnte man sehen, dass man hier gegraben hatte? Vielleicht wenn man genau hinsah, aber warum sollte das jemand tun. Fabienne kam vorbei und nahm ihm den Klappspaten ab. Hatte sie das extra gemacht, damit er sich damit nicht wehren konnte? Er hätte besser aufpassen sollen, aber wie schwach er sich fühlte. Und wie trocken sein Mund war, gab es hier irgendwo noch etwas zu trinken?
Véronique kam zu ihm, und zusammen gingen sie zu den beiden Autos. Sie stellen sich so, dass sie die Gräber sehen konnten. Was war denn mit den vielen
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