Madame Fabienne
harmlos und interessierte sich gar nicht für sie.
Der Wind frischte nun wieder auf und ließ sie frösteln.
Sie blieb trotzdem noch einen Moment stehen und betrachtete Jean Claude: Er saß immer noch in dem dunkelblauen Audi und sah zu ihr. Wahrscheinlich wollte er hören, was hier vor sich ging. Sie dürfte ihn nicht unterschätzen, er war kein Blödmann.
Sie ging nun zurück zum Audi, und es war so still, dass man ihre Schritte auf dem Asphalt hören konnte. Sie glitt auf den Beifahrersitz und schloss die Tür so leise wie möglich.
"Und?" Jean Claude flüsterte, "Was jetzt?"
"Wir warten." Sie wies mit dem Kopf zu dem Bürogebäude, dessen Fassade zum Großteil schon dunkel war. "Wenn er zu seinem Porsche geht, dann werde ich zu ihm aufschließen."
"Und dann?"
Sie schwieg. Man konnte sehen, dass Jean Claude nervös war. Sollte sie ihn beruhigen? Warum nicht, vielleicht würde es auch ihr guttun: "Wenn alles glatt läuft, wird er sich wohl kaum daran erinnern können."
"Kaum?"
Sie zuckte mit den Achseln, "Es gibt natürlich keine Garantie, aber ich denke, dass wir nicht länger warten sollten."
"Da kommt jemand", Jean Claude wies mit dem Kopf zum Hochhaus.
Fabienne drehte sich halb um und schaute zum Ausgang des Gebäudes: Drei Personen standen nun auf den Stufen und unterhielten sich, aber sie waren zu weit weg, um die Worte verstehen zu können. Das fahle Licht einer Laterne fiel auf die drei, und man konnte sogar aus der Distanz sehen, dass einer davon Hasan Gündesch war: die schlanke Gestalt und die dunklen Haare, das war er.
Er hatte einen Mantel über dem einen Unterarm hängen und hielt ein Aktenköfferchen in der anderen Hand. Neben ihm stand dieser stämmige Typ, Achmet der Aufpasser. Im Dossier der Fabrik hieß es, er habe ursprünglich Mechaniker gelernt, habe dann aber diesen Job angenommen. Die dritte Person war Sibel Gündesch, Hasans jüngere Schwester. Eine schlanke Frau, die helle Strähnen in den Haaren hatte. So wie es aussah, telefonierte sie mit einem Handy.
"Was machen die denn da?" Jean Claude wies mit dem Kopf zu den dreien.
Solange Hasan bei den beiden anderen war, könnte sie nicht angreifen. Also müsste sie wohl abwarten. Sie öffnete die Tür auf der Beifahrerseite, so leise es nur ging; man spürte den Nachtwind, der nun in den Wagen blies. Hin und wieder konnte man ein Wort hören, das die drei sprachen, aber es war auf Türkisch. Sie neigte sich zu Jean Claude und fing an zu flüstern, "Verstehst du das?"
Er schüttelte den Kopf.
Was besprachen die drei nur so lange? Jetzt passierte etwas: Die drei schlenderten ein Stück über den Parkplatz, und dann verabschiedete sich Hasan von den beiden anderen. Er war auf dem Weg zu seinem geparkten Wagen. Jetzt war die Zeit gekommen, um anzugreifen. Sie wandte sich noch mal an Jean Claude, "Bleib im Hintergrund."
Sie stieg aus und hastete über den Parkplatz. Hier und da brannte eine Laterne, aber es gab genügend Stellen, die so dunkel waren, dass man sie nicht einsehen konnte. Von der Straße kamen nun wieder Geräusche, vor allem das Rauschen der vorbeifahrenden Autos. Vielleicht könnte Hasan auch ihre Schritte hören, wenn sie sich ihm näherte— sie müsste also schnell sein.
Inzwischen hatte Hasan seinen Mantel angezogen, und er kramte einen Schlüsselbund aus seiner Hosentasche hervor. Gleich wäre er bei seinem Porsche, gleich müsste sie angreifen. Offenbar hatte er sie noch nicht bemerkt, wunderbar, so könnte sie ihn überraschen. Sie schloss noch mal für einen Moment die Augen, um ihrem Körper zu entspannen.
Hasan ging nun das letzte Stück zu seinem Wagen, und als er aufschließen wollte, trat sie ins Licht und lächelte ihm zu. "Hallo", ihre Stimme klang sanft, "wie geht es dir?"
Als er zu ihr sah, konnte sie auf seinem Gesicht noch lesen, dass er anfing zu argwöhnen, aber weiter kam er nicht mehr. Ihr Blick glitt nämlich übers Wagendach und traf in voll ins Gesicht. Er musste sich mit beiden Händen an der schon offenen Tür halten, um nicht umzukippen. Sie kam noch näher an ihn heran und spürte dabei, wie sie ihn im Griff hatte.
Sie müsste sich beeilen, ins Auto zu kommen, sonst könnte jemand sie vielleicht sehen. Sie machte also die Beifahrertür auf, hielt ihn dabei aber immer noch mit ihrem Blick fest. Noch einen Moment, und es wäre so weit geschafft. Sie sprach mit sanfter Stimme, "Steig ein, komm schon."
Man konnte gleich sehen, dass es ihm schwer fiel, aber er schaffte es. Die Tür stand
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