Madame Fabienne
dauerte das nur so lange, sonst hatte man ihm immer gleich vorgelassen.
Er ging zu einem der Fenster und sah nach draußen aufs Werksgelände. Dabei konnte er auf der Scheibe sein Spiegelbild sehen, die kaffeebraune Haut und die schwarzen Haare. Mit den Fingerspitzen betastete er seinen Schnurrbart, den er heute morgen noch mal gestutzt hatte. Er knöpfte sein kariertes Jackett auf, weil es so warm war; vielleicht hatte man die Heizung zu hoch eingestellt.
In der Ferne sah man einen Teil der Mauer, die das Werk von den angrenzenden Straßen trennte. Am Himmel zogen schon wieder graue Wolken, und wenn er sich jetzt recht erinnerte, hatte man für den Abend Regen gemeldet.
Ein Lkw fuhr nun an dem Büro-Komplex vorbei, und man hörte, wie der Motor brummte. Er schaute noch mal auf seine Armbanduhr: Wie lange wartete er denn jetzt schon? Das würde doch nicht den ganzen Tag so weitergehen, oder? Ob man das extra machte, um ihn zu zermürben?
Wahrscheinlich nicht. Bestimmt gab es einen anderen Grund dafür.
Er schlenderte ein Stück den Flur zurück, doch die Tür zum Büro war immer noch geschlossen. Als er am Morgen gekommen war, hatte Bikem Taschkan ihm gesagt, er solle warten, und dabei formte sich auf ihrem Gesicht ein ernster Ausdruck. Was war wohl passiert?
Ob es ihn betraf?
Da kam jemand in seine Richtung, ein Mann mit Jackett und Pullunder— das war ja Martin, was machte der denn hier? Martin blieb nun abrupt stehen, und aus der Distanz sah es so aus, als wäre er überrascht. Aber dann kam er schon näher und schüttelte ihm die Hand, "Na, was machst du denn hier?"
Jean Claude wies mit dem Kopf auf die geschlossene Bürotür, "Ich warte."
"Ah, dein besonderer Auftrag, aber das willst du ja nicht erzählen." Martin fing an zu grinsen und stellte sich neben ihn, damit er leiser sprechen konnte. "Da soll es ja um einen hübschen Käfer gehen."
Jean Claude schwieg.
"Das musst du mir mal bei Gelegenheit erzählen, wenn wir unter uns sind."
"Mal sehn. Warum bist du denn eigentlich hier?"
"Ich?" Martin lachte ein bisschen, es klang gekünstelt. "Ich muss noch abrechnen."
"Abrechnen?"
"Der Abend im Café Maxi. Ich hab doch den Mann von B&M eingeladen. Er sollte einen guten Eindruck von uns haben."
"Ah so."
"Ich versuch mal mein Glück." Martin klopfte an und lugte gleich darauf ins Büro. Es wurde gesprochen, aber Jean Claude konnte davon nichts verstehen, weil er zu weit weg war. Martin verschwand nun nach drinnen und schloss die Tür hinter sich.
Schon seltsam: Martin ließ man rein, aber er musste warten. Was war hier nur los? Ob es wirklich stimmte, was Martin ihm gesagt hatte? Er wäre nur hier, um den Abend im Café Maxi abzurechnen. Aber um was sollte es denn auch sonst gehen? Eben. Ihm ging mal wieder die Fantasie durch.
Trotzdem war es gut, dass er Martin bisher nichts Wesentliches über Fabienne erzählt hatte. Wahrscheinlich war es auch besser, wenn es so bliebe. Er ging wieder auf und ab und schob dabei die Hände in die Hosentaschen: Ob man ihm wieder seinen Platz in der Export-Abteilung geben würde? Gute Frage, aber darauf wusste er auch keine Antwort.
Eine Kollegin ging nun an ihm vorbei und nickte ihm zu. Er grüßte zurück, aber man nahm ihn gar nicht richtig wahr. Er hörte, wie hinter sich eine Tür aufging. Martin erschien auf der Schwelle, dann kam auch noch Bikem Taschkan dazu. Sie trug wieder ein dunkles Hosenkostüm; der Blazer war ganz aufgeknöpft, und man sah darunter eine weiße Bluse. Ihre Haare waren gelockt und reichten ihr bis zu den Oberarmen, auf ihrem Gesicht zeigte sich eine ernste Miene. Sie wandte sich noch mal an Martin, "Sie wissen ja Bescheid, nicht wahr?!"
"Natürlich." Martin sah noch mal in seine Richtung, hastete dann aber davon, ohne noch etwas zu sagen.
Bikem wandte sich nun ihm zu, "Sie können jetzt reinkommen."
Sie hatte ihn wieder gesiezt, was bestimmt ein schlechtes Zeichen war. Es gab also Ärger. "Ich komme."
Sie ließ ihn vorgehen und schloss hinter ihm die Tür. Das Büro sah aus, als habe man es nicht sauber gemacht, hier und da standen nämlich leere Pappbecher und gestapelte Pizza-Schachteln. Die Luft kam ihm dick vor, und es war unangenehm warm. Es gab ein grelles Licht, weil alle Deckenleuchten brannten.
"Sie können gleich durchgehen", Bikem zeigte auf die offene Tür. "Herr Vacaro wartet schon auf Sie."
Jean Claude zögerte einen Moment, ging dann aber doch nach nebenan. Man hatte hier eine einzige Jalousie nach oben gezogen, und
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