Madame Fabienne
sachlich bliebe. "Hier ist Post für euch."
Fabienne nahm ihm die beiden Umschläge ab, gab den dicken an Véronique weiter und öffnete den dünnen: Es kamen ein paar gedruckte Din-A4 Seiten zum Vorschein. Jean Claude blieb stehen und sah zu, was passierte. Fabienne setzte sich in einen der Sessel und fing an, den Text zu lesen; dabei konnte man sehen, dass sie ganz konzentriert war.
Was für schöne Hände sie hatte. Unglaublich, was ihm schon wieder durch den Kopf ging.
Die beiden Frauen beachteten ihn gar nicht, oder? Er ging zwei, drei Schritte näher heran, aber die gedruckte Schrift war zu klein, als dass er sie hätte lesen können. Allerdings waren auch Fotos in dem dünnen Umschlag gewesen, und auf einigen konnte man eine Frau sehen— war das Sibel Gündesch?
Das Gesicht kam ihm auf alle Fälle bekannt vor.
Als er und Fabienne zum ersten Mal im Café Maxi gewesen waren, hatte sich Hasan mit ihr unterhalten. Natürlich, sie waren in einer dieser Tischnischen gesessen. Diese Frau war nun hier auf den Fotos abgebildet.
Véronique holte gebündelte Geldscheine aus dem dicken Umschlag hervor, meistens Fünfziger; man konnte sie gleich an der orangebraunen Farbe erkennen. Wie viel Geld das wohl war? Ne Menge auf alle Fälle. Und wie dick sich das Paket unter seinem Arm angefühlt hatte!
Fabienne murmelte etwas vor sich hin, was er nicht verstehen konnte. Sie schaute von dem Text auf, "Ich glaube, du wartest besser draußen."
"Bitte?"
Sie lächelte ein wenig, es sah säuerlich aus. "Du kannst ruhig draußen im Auto warten. Wir rufen dich, wenn wir so weit sind."
Für eine Sekunde stand ihm der Mund offen: Man wollte ihn nicht dabei haben, ach so. "Natürlich." Er nickte und ging dann extra langsam in Richtung Flur. Als er auf der Türschwelle stand, sah er noch mal über die Schulter zurück: Fabienne legte die Textseiten auf den Couchtisch und sah sich dann die Fotos an, während Véronique immer noch das Geld zählte.
Wie er auf einmal schwitzte.
Er ging durch die Diele und verließ die Villa. Inzwischen hatte sich der Himmel weiter aufgeklärt, und der Sonnenschein fühlte sich angenehm an auf der Haut. Jean Claude ging um den Wagen herum und glitt hinters Lenkrad. Was sollte er jetzt machen? Er müsste wohl warten. Es war doch klar, dass die beiden Frauen ihn nicht dabei haben wollten, weil sie über ihr Vorgehen entschieden.
Ob sie auch über ihn diskutierten? Was man mit ihm machen würde, wenn etwas schief ginge? Wäre das möglich, oder spielte ihm seine Fantasie jetzt einen Streich? Er fuhr sich mit der flachen Hand über den Mund: Wie durstig er auf einmal war. Irgendwie hatte er bei der ganzen Sache ein mieses Gefühl.
*
Fabienne setzte sich in einen der Ledersessel und sah sich noch mal das Dossier über Sibel Gündesch an. Wie könnte sie diese Frau am besten beeinflussen?
Sibel war in Ludwigshafen aufgewachsen und hatte nach der Schule Kommunikation und Marketing studiert. Sie und ein Student waren einige Jahre ein Pärchen gewesen und hatten zusammen ein Kind, ein Mädchen, das heute noch bei der Mutter lebte. Es fiel auf, dass in dem Text nur wenig über den Vater stand.
Nach ihrem Abschluss an der Uni arbeitete Sibel bei zwei anderen Firmen, bevor sie zu GMN wechselte. Diese Zeit sollte offenbar dazu dienen, Erfahrung zu sammeln. Wann genau sie bei GMN die Chefin wurde, ließ sich nicht klären, weil es hinter den Kulissen geschah. Zu ihrem Privatleben hieß es, sie sei jetzt mit einem Anwalt liiert und habe auch von ihm ein Kind.
Diese Fassung des Dossiers lieferte auch neue Informationen über Hasan. Nun stand nämlich im Text, er habe sein Studium noch vor der Zwischenprüfung abgebrochen, weil er schauspielern wollte. Er habe Rollen in einigen Theatern der Region gespielt, oftmals in Komödien. Schließlich habe er aber eingewilligt, für GMN zu arbeiten, da man ihn dort brauchte. Seine Schwester hatte im Hintergrund die Fäden in der Hand, und er habe sich öffentlich als Chef ausgegeben, was erst aufgeflogen war, als er diesen Vertrag unterschreiben sollte.
Fabienne betrachtete sich noch mal die Fotos, die mit dem Dossier gekommen waren: Sibel trug einen schwarzen Blazer und Jeans mit gebleichten Stellen. In ihren Haaren gab es helle Strähnen, der Scheitel war ein wenig von der Mitte versetzt. Offenbar hatte man die Bilder in einem Café oder einem Restaurant geknipst, denn im Hintergrund servierte ein Kellner Getränke.
Fabienne wandte sich nun an Véronique, "Stimmt
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