Madame Hemingway - Roman
als zehn Tagen, doch ihm gefiel der Anfang nun nicht mehr.
»Ich finde, es sollte in Paris beginnen und sich dann verlagern. Was in Paris geschieht, bringt die Flammen erst zum Lodern. Ohne das kann der Rest nicht entstehen.«
»Du hast immer gesagt, du könntest nicht über Paris schreiben, weil du zu nah dran bist.«
»Ja, ich weiß, aber aus irgendeinem Grund fällt es mir jetzt gerade ganz leicht. In Pamplona waren wir erst vor zwei Wochen, aber sogar darüber kann ich schon schreiben. Ich weiß nicht, weshalb. Vielleicht erweisen sich all meine Gedanken und Regeln zum Schreiben nun als falsch.«
»Es ist gut, für etwas entflammt zu sein, nicht wahr?«
»Ich hoffe, es geht unendlich so weiter.«
Und es ging so weiter. In Valencia herrschte fiebrige Hochstimmung vor Aufregung über die Fiesta, und wir konnten es einfach genießen. Wir saßen in einem Straßencafé und aßen Garnelen mit frischen Limonen und Pfeffer und wunderbare Paella auf einer Platte, die fast so groß war wie der ganze Tisch. An den Nachmittagen gingen wir zu den Stierkämpfen, bei denen Ordóñez seine Veronicas mit absoluter Perfektion vollführte.
»Da war er. Hast du das gesehen?«, fragte Ernest und wies in die Arena.
»Was?«
»Sein Tod. Der Stier war so nah dran. Das macht den Tanz erst aus. Der Torero muss wissen, dass er sterben wird, und derStier muss es auch wissen, damit es reine Magie ist, wenn er es im letzten Moment noch abwendet. Das ist das wahre Leben.«
Als er eines Nachmittags schlief und ich mich rastlos fühlte, begann ich, seine Notizbücher durchzublättern und hier und da bewundernd ein paar Zeilen zu lesen. Ganz zufällig stieß ich dabei auf Seiten voller Aussprüche und Redewendungen, die eindeutig von Duff stammten. Zuerst versetzte es mir beim Lesen einen Stoß. Er hatte ihr so aufmerksam zugehört, hatte alles niedergeschrieben und sie darin haargenau wiedergegeben. Und nun tauchte all das nur ganz leicht verändert in seiner Heldin wieder auf. Meine Eifersucht auf sie wurde von neuem geweckt, bis ich in der Lage war, es zu begreifen. Ernest war Schriftsteller, nicht Duffs Liebhaber. Er hatte sie als Figur betrachtet, vielleicht sogar schon von Beginn an. Und nun, da er sich nicht mehr in den Straßencafés von Pamplona befand, sondern in seinem Buch lebte, war ihm die Anspannung und Hässlichkeit der Tage dort nützlich. Die ganze Zeit war wichtig und konstruktiv für seine Arbeit gewesen. Aus diesem Grund strömten die Worte nun so machtvoll aus ihm heraus.
Von Valencia aus fuhren wir erneut nach Madrid und dann weiter nach San Sebastián, um den steigenden Sommertemperaturen zu entgehen. In San Sebastián und danach in Hendaye schrieb Ernest morgens ganz intensiv, bevor wir den Rest des Tages mit Schwimmen und Sonnenbaden am Strand verbrachten. Der Sand war heiß und fein wie Zucker, in der Ferne erblickten wir langgestreckte violette Bergzüge, und die Brandung lullte uns in einen glücklichen Rauschzustand. Doch am Ende der ersten Augustwoche vermisste ich Bumby zu sehr, um den Urlaub noch genießen zu können. Ich kehrte also nach Paris zurück, und Ernest fuhr noch einmal allein nach Madrid. Dort arbeitete er besser und ausdauernder als je zuvor. Es war, als erfände er mit dem Buch zugleich sich selbstals Schriftsteller neu. Er teilte mir in einem Brief mit, dass er mittlerweile nur noch wenige Stunden Schlaf benötigte.
Wenn ich aufwache, warten die Sätze schon auf mich und rufen, dass sie niedergeschrieben werden wollen. Es ist unglaublich, Tatie. Ich kann das Ende schon absehen, und es ist eindeutig etwas Besonderes.
Dreiunddreißig
Gegen Ende August war Paris völlig ausgestorben. Jeder, der woanders sein konnte, war es auch. Kitty und Pauline Pfeiffer waren allerdings zum Arbeiten in der Stadt geblieben. Wir drei trafen uns oft zum Abendessen, manchmal mit Bumby im Schlepptau, manchmal, nachdem ich ihn ins Bett gebracht und in Marie Cocottes Obhut gelassen hatte. Zu Beginn fühlte ich mich unwohl in der Gesellschaft von Pauline und Kitty zusammen, da sie zwei so stilvolle, unabhängige und entschieden moderne Mädchen waren, doch letzten Endes waren sie beide auch wunderbar aufrichtig und schnörkellos. Aus genau diesem Grund mochten Kitty und Pauline mich ebenfalls, wie sie immer wieder betonten. Und schließlich glaubte ich ihnen.
Manchmal trafen wir uns auch mit Paulines Schwester Jinny in einem Café, und ich fand die beiden Schwestern miteinander sehr amüsant, wie eine
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