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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
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Gesicht, in das ich je geblickt hatte.
    »Oh«, wiederholte ich, und er ließ mich los.
     
    Als ich am nächsten Tag meine Koffer für die Heimreise nach St. Louis packte, fühlte ich mich ein wenig verloren. Die letzten zwei Wochen waren so ausgefüllt mit Leben gewesen, dass ich mir einfach nicht vorstellen konnte, wieder nach Hause zurückzukehren. Ich wollte nicht gehen.
    Kate musste an diesem Tag im Büro sein, und wir hatten uns bereits verabschiedet. Kenley arbeitete ebenfalls, doch er hatte mir freundlicherweise angeboten, mich in seiner Mittagspause zum Bahnhof zu fahren, damit ich das Geld für ein Taxi sparen konnte. Als alles verstaut war und bereit stand, zog ich meinen Mantel und Hut an und ging ins Wohnzimmer, um dort auf ihn zu warten. Aber als im Flur jemand auftauchte, um mich abzuholen, war es Ernest.
    »Konnte Kenley doch nicht weg?«, erkundigte ich mich.
    »Nein, ich wollte dich fahren.«
    Ich nickte stumm und sammelte meine Sachen ein.
    Es war nicht weit bis zur Union Station, und wir verbrachten den größten Teil der Strecke schweigend. Er trug wollene Hosen und eine graue Strickjacke sowie eine dunkle Mütze, die er fast bis zu den Augenbrauen hinuntergezogen hatte. Seine Wangen waren rot vor Kälte, und er sah unglaublich schön aus.
Schön
war wirklich das passende Wort für ihn. Seine Züge waren zwar nicht gerade weiblich, aber sie waren perfekt, makellos und irgendwie heroisch, als wäre er soeben einer griechischen Dichtung über Liebe und Krieg entsprungen.
    »Du kannst mich hier rauslassen«, erklärte ich, als wir uns dem Bahnhof näherten.
    »Nun gib mir doch eine Chance, oder würde dich das umbringen?«, fragte er und schaute sich nach einem Parkplatz um.
    »Nein. Wahrscheinlich nicht.«
    Ein paar Minuten später standen wir gemeinsam auf dem Bahnsteig. Ich hatte nur meine Fahrkarte und meine Brieftasche in der Hand. Er hielt meinen Koffer mal mit der einen,mal mit der anderen Hand, doch als mein Zug einfuhr, dessen silberbrauner Leib eine Ruß- und Rauchfahne hinter sich herzog, stellte er ihn zu seinen Füßen ab. Auf einmal hielt er mich fest an seine Brust gedrückt.
    Mein Herz raste. Ich fragte mich, ob er es fühlen konnte. »Ich glaube nicht, dass ich schon einmal jemanden wie dich getroffen habe«, sagte ich.
    Er erwiderte gar nichts, sondern küsste mich einfach, und durch diesen Kuss konnte ich all die Wärme und das Leben spüren, die er verströmte. Es gab so vieles, das ich über Ernest nicht wusste, und noch viel mehr, das ich nicht zu fragen oder mir auch nur auszumalen wagte, dennoch spürte ich mit jeder verstreichenden Sekunde deutlicher, wie ich mich geschlagen gab. Auf dem Bahnsteig waren wir umringt von Menschen und doch vollkommen allein. Als ich ein paar Minuten später schließlich in den Zug einstieg, zitterten meine Knie.
    Ich fand meinen Platz und suchte aus dem Fenster heraus die dunklen Anzüge, Hüte und Mäntel der Menschenmenge draußen ab. Und da war er, ganz nah am Zug, und lächelte und winkte wie ein Wahnsinniger. Ich winkte zurück, und da hielt er eine Hand hoch wie ein Blatt Papier, und mit der anderen tat er, als würde er einen Bleistift halten.
    Ich werde dir schreiben
, formte er mit den Lippen. Vielleicht hieß es aber auch:
Ich werde
dich
schreiben.
    Mir standen plötzlich heiße Tränen in den Augen und ich schloss sie rasch und lehnte mich ins Polster, während der Zug mich nach Hause brachte.

Vier
    Im Jahr 1904, als ich dreizehn wurde, fand in St. Louis die Louisiana Purchase Exposition, besser bekannt als Weltausstellung, statt. Das Ausstellungsgelände umfasste nahezu fünf Quadratkilometer, und die einzelnen Gebäude, Ställe, Theater und Paläste wurden durch hundertzwanzig Kilometer Wege und Straßen miteinander verbunden. Viele der Gebäude bestanden aus mit Gips gefüllten Holzrahmen und sollten nur ein paar Monate überdauern, doch sie sahen aus wie opulente neoklassizistische Paläste. Unser Kronjuwel, der Palast der Künste, wies einen Skulpturengarten auf, der den römischen Caracalla-Thermen nachempfunden war. Man konnte an Lagunen entlangpaddeln und riesige künstliche Wasserfälle und Senkgärten bewundern. Es gab Zoos mit exotischen Tieren und mit Pygmäen und Menschen anderer Naturvölker, bärtigen Mädchen und zurückgebliebenen Jungen. Die Pike wurde von Hunderten Ständen gesäumt, die die Besucher mit Vergnügungen, Spielen und Essen lockten. Ich aß dort zum ersten Mal in meinem Leben ein Eis in der Waffel

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