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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
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und konnte kaum mein Staunen darüber überwinden, dass der süße, spitze Zylinder in meiner Hand sich nicht kalt anfühlte. Das Erdbeereis schmeckte auch anders. Besser. Es war womöglich das Beste, was ich je gegessen hatte.
    Fonnie schlenderte an diesem Tag mit mir über die Pike, aber sie wollte kein Eis essen. Sie wollte auch keine Zuckerwatte, keinen Puffreis, Eistee oder eins von den anderen neuen Lebensmitteln probieren. Sie wollte nur nach Hause, wo unsere Mutter ihr wöchentliches Suffragettentreffen vorbereitete.
    Ich habe nie verstanden, weshalb Fonnie sich dermaßen für Mutters Gruppe begeisterte. Die Frauen kamen mir immer so unglücklich vor. Wenn man ihnen zuhörte, konnte man glauben, dass die Ehe das Schlimmste sei, was einer Frau passieren könne. Meine Mutter sprach immer am lautesten und eindringlichsten und nickte schroff, während Fonnie Tabletts mit Keksen und Kressesandwiches herumgehen ließ und versuchte, sich bei allen beliebt zu machen.
    »Noch eine halbe Stunde«, versuchte ich mit Fonnie zu verhandeln. »Willst du denn den Elektrizitätspalast nicht sehen?«
    »Du kannst hierbleiben, wenn du magst. Es wundert mich allerdings, dass du in der Lage bist, dich zu amüsieren.« Und damit stolzierte sie gebieterisch davon.
    Ich hatte mich tatsächlich amüsiert, zumindest bis sie mich daran erinnerte, dass ich eigentlich traurig sein sollte. Wahrscheinlich war es selbstsüchtig von mir, zu bleiben und das Salz auf dem Popcorn riechen und das Wiehern aus den Ställen hören zu wollen. Aber es war April, und die Kirschbäume um die Lagunen herum standen in voller Blüte. Wenn ich die Augen schloss, konnte ich Brunnen plätschern hören. Dann öffnete ich sie wieder und wähnte mich in Rom oder Versailles. Fonnie verschwand in der Menge, und anstelle ihres dunklen Rocks waren nur noch leuchtende Farben zu sehen. Ich wollte sie gehen lassen, ohne mich darum zu kümmern, was sie über mich dachte oder zu meiner Mutter sagte, doch es gelang mir nicht. Ich warf einen letzten Blick auf meine Eiswaffel, ließ sie dann in eine Mülltonne fallen und trottete meiner Schwester hinterher nach Hause, wo die Vorhänge zugezogen und die Lichter gedämpft waren, und das schon seit einiger Zeit. Wir waren in Trauer. Mein Vater war seit zwei Monaten tot.
     
    Wir waren eine beispielhaft gute Familie, die auf beiden Seiten von den Pilgervätern abstammte und von viktorianischerMoral geprägt war. Der Vater meines Vaters hatte die öffentliche Bibliothek von St. Louis sowie die Richardson Drug Company gegründet, die zum größten Pharmaunternehmen westlich des Mississippis anwuchs. Der Vater meiner Mutter rief als Lehrer die Hillsboro Academy in Illinois und später eine private Highschool namens City University in St. Louis ins Leben. Fonnie und ich besuchten die besten Schulen und trugen marineblaue Röcke mit messerscharfen Falten. Wir erhielten Privatstunden auf einem unserer beiden Steinway-Flügel und verbrachten unsere Sommer in unserem Strandhaus in Ipswich, Massachusetts. Und alles war gut und schön, bis es aufhörte, gut und schön zu sein.
    Mein Vater, James Richardson, war leitender Angestellter im Pharmageschäft der Familie. Morgens verließ er das Haus mit Filzhut und Schleife um den Hals und roch dabei nach Rasierschaum, Kaffee und einem Hauch von Whiskey. Er bewahrte einen Flachmann in seinem Morgenmantel auf. Alle wussten, dass ein zweiter in der Schreibtischschublade in seinem Arbeitszimmer versteckt war, die er mit einem winzigen Schlüssel verschloss. Ein weiterer wartete hinter Einmachgläsern mit Obstkompott in der Vorratskammer auf ihn, während unsere Köchin Martha vorgab, ihn nicht zu bemerken. Er verbrachte so wenig Zeit wie möglich zu Hause und wenn er da war, war er meist still und abwesend. Aber er konnte auch sehr liebenswürdig sein. Meine Mutter Florence war das genaue Gegenteil von ihm, sie schien ganz aus scharfen Bügelfalten und spitzen Nadeln zu bestehen und hatte stets einen Rat oder ein Urteil zu vergeben. Vielleicht war mein Vater ihr gegenüber zu nachgiebig und feige, jedenfalls verzog er sich eher in sein Arbeitszimmer oder nach draußen, statt ihr in irgendeiner Sache Paroli zu bieten, doch ich nahm ihm das nie übel.
    Meine Mutter zog Fonnie, die zweiundzwanzig Monate älter war als ich, von Anfang an mir vor. Wir hatten einen älterenBruder namens Jamie, der schon aufs College ging, bevor ich im Kindergarten war, und dann gab es noch Dorothea, die elf Jahre

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