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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
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hinauf. Meine Lungen begannen zu stechen, dann zu brennen, als hätte ich ein kleines Stück eines Vulkans verschluckt.
    Ich wusste, dass ein paar Dinge leichter würden, wenn ich einfach hier blieb und das Wasser in mich strömen, durch jede meiner Türen dringen ließ. Ich würde nicht dabei zusehen müssen, wie mein Leben vor meinen Augen verschwand, Tropfen für Tropfen, und in Paulines Richtung floss.
    Der kleine Vulkan in mir brannte, und dann platzte irgendetwas in mir auf, und ich wusste, dass, selbst wenn ich so nicht mehr leben wollte, ich auch noch nicht bereit war zu sterben. Ich schloss die Augen und trat kräftig, bis ich an der Oberfläche war.
    Zurück am Strand, stand Pauline auf und lief mir entgegen. »Komm, lass uns von den Felsen springen.«
    »Ich glaube nicht, dass ich darin je gut sein werde.«
    »Ich bringe es dir bei. Ich bin heute deine Sprunglehrerin, und Hem wird zuschauen und dich benoten.«
    »Bitte, das nicht«, sagte ich und versuchte zu lachen.
    »Dann lass uns also erst ein bisschen üben.« Sie drehte sich um und ging den kleinen Pfad am Strand entlang voraus, der zu den sich hoch auftürmenden braunen Felsen führte. Sie waren dunkel und voller Risse und sahen aus, als hätte irgendein Gott sie aus Lehm geformt und dann jahrtausendelang in der Sonne gebrannt. Die Steine waren heiß unter unseren nackten Füßen, und wir kletterten sie rasch hinauf, bis wir fast an der Spitze angelangt waren.
    Pauline schaute über den Rand, um die Wellen in Augenschein zu nehmen, die fünf Meter unter uns gegen die Steine schlugen. »Wenn du das Rauschen hörst, musst du springen«, erklärte sie. Dann stellte sie sich gerade auf und führte die Arme elegant über ihren Kopf und ihren langen Hals. Sie wartete, und dann, beim Heranrauschen der Welle, drückte siesich mit ihren schlanken Beinen ab, hing einen Moment in der Luft und schoss dann kerzengerade hinunter. Das Wasser schloss sich über der Stelle, an der sie aufgetroffen war. Dort war nun nichts mehr zu erkennen, nur noch Wasser, das wie die glatte Haut einer Trommel aussah. Dann tauchte sie wieder auf, strich sich das Haar aus dem Gesicht und blinzelte zu mir hinauf. »Also gut«, rief sie. »Jetzt du.«
    »Es sieht zu einfach aus, um einfach zu sein«, rief ich zurück, und sie lachte.
    Ernest war ins Wasser gekommen und herübergeschwommen, um die kleine überhängende Felsmasse herum bis zu der Stelle, an der Pauline im Wasser trieb und auf mich wartete.
    »Wir wollen dich springen sehen«, sagte er und ruderte mit den Armen vor und zurück.
    »Keine Noten und keine Verbesserungen, sonst mache ich es gar nicht«, warnte ich.
    »Willst du es denn nicht richtig hinbekommen?«, fragte Ernest mit zusammengekniffenen Augen.
    »Ehrlich gesagt, nein. Wenn ich es überhaupt schaffe, ohne an den Felsen zu zerschmettern, dann langt mir das.«
    »Wie du willst.«
    Ich stand am Rand und spürte die Hitze unter meinen Zehen. Ich schloss die Augen.
    »Du solltest die Arme ausstrecken, so, dass sie deine Ohren berühren«, erklärte Pauline.
    »Keine Verbesserungen«, sagte ich. Ich richtete mich gerade auf und bog dann die Arme über meinem Kopf. Ich lauschte auf das Rauschen, doch als ich es hörte, merkte ich, dass ich mich nicht bewegen konnte. Ich war dort festgewachsen.
    »Komm schon, du hast sie verpasst«, rief Ernest.
    Ich gab ihm keine Antwort, hielt die Augen geschlossen und verspürte einen Moment lang ein perfektes Schwindelgefühl, als ich das Rauschen der Brandung erneut vernahmund mich plötzlich als Teil von ihr fühlte, mit ihr herumwirbelte und gleichzeitig still stand, von ihr erfasst und ins Meer und weiter hinaus ins Universum geworfen wurde und dabei völlig allein war. Als ich schließlich hinunterblickte, sah ich diese beiden nassen Köpfe in den sich langsam bewegenden Wellen. Sie sahen dort so natürlich und verspielt aus wie Seehunde, und auf einmal wusste ich, dass ich nicht springen würde, und diese Entscheidung hatte nichts mit Angst oder Verlegenheit zu tun.
    Ich würde nicht springen, weil ich nicht bei ihnen sein wollte. Ich spürte die glatten, heißen Felsen unter meinen Füßen, als ich mich umdrehte und langsam und völlig undramatisch hinunterkletterte.
    »Hadley«, rief Ernest mir hinterher, aber ich entfernte mich weiter vom Strand, ging die Straße hinunter und dann auf das Hotel zu. Als ich unser Zimmer betrat, duschte ich all den Sand fort und kletterte dann, noch nass, ganz sauber und müde ins Bett. Das

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