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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
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ich betrunken genug war, hatte ich die hübsche Porzellanteekanne genommen, die so weit mit uns gereist war, und sie auf den Boden geschmettert, wo sie mit einem lauten Knall zerbarst. Ich wollte die Scherben ursprünglich liegen lassen, damit er sie sah, doch dann erschien mir die Geste zu kindisch – die Handlung eines Trotzanfalls, wie er es genannt hatte. Ich hasste es, so verzweifelt und außer Kontrolle zu sein, war jedoch nicht in der Lage, meine Gefühle im Zaum zu halten. Ich beseitigte das Chaos, steckte eine nasse Scherbe nach der anderen in eine kleine Papiertüte. Dann ging ich ins Bett. Mein Kopf drehte sich brutal auf dem Kissen, doch ich schloss die Augen und versuchte, meinen Atem zu verlangsamen. Stunden später hörte ich ihn zuerst auf der Treppe, dann im Schlafzimmer.
    »Hadley«, sagte er und setzte sich neben mich aufs Bett. Er strich sanft über mein Gesicht und meinen Hals, doch ich rührte mich nicht. »Feather Kat, lass uns damit aufhören.« Ich kniff die Augen zusammen, um keine Träne hinauszulassen, und versuchte, mich weiter schlafend zu stellen. Er merkte jedoch, dass ich wach war.
    »Der Teufel soll dich holen«, rief er, als ich meine Augen immer noch geschlossen hielt und ihm keine Antwort gab. Er schubste mich unsanft an der Schulter. »Das ist mein Job. Du weißt, dass ich gehen muss.«
    »Du musst nicht gehen. Du willst gehen«, beschuldigte ich ihn aufs Heftigste.
    »Ach, scher dich doch zum Teufel«, sagte er und verließ erneut die Wohnung.
    Vielleicht verbrachte er diese Nacht in seinem Zimmer in der Rue Descartes, oder er schlief auf der langen Bank unten im Tanzlokal. Ich weiß es nicht. Er blieb bis zum Nachmittag fort und kam dann zum Packen nach Hause. Er lief durch die Wohnung, warf Kleidungsstücke in eine Tasche und sammelte seine Notizblöcke ein.
    »Soll es also dabei bleiben?«
    Ich starrte aus dem Fenster ins Leere.
    »Du hast mir versprochen, du würdest so etwas niemals tun.«
    Er hatte recht. Ich hatte immer wieder geschworen, dass ich mich nie zwischen ihn und seine Arbeit stellen würde, besonders am Anfang, als ich noch glaubte, ich würde an seiner Karriere teilhaben und meine Rolle wäre es, ihm den Weg zu ebnen. Doch ich begriff allmählich, dass ich die Bedeutung dieses Versprechens im Grunde nicht verstand. Ich wollte, dass er genauso unglücklich war wie ich. Vielleicht würde er dann aufgeben und bei mir bleiben.
    Doch das tat er nicht. Drei Tage lang sprachen wir nicht miteinander und berührten uns auch nicht. Als er am 25. September schließlich abreiste, war er so verletzt und wütend, dass ich ihm kaum ins Gesicht blicken konnte. Ich stand an der Tür und sah zu, wie er sich auf der Treppe mit den Taschen abmühte. Beinahe unten angelangt, ließ er den Koffer mit seiner Corona fallen. Er kam mit einem fürchterlichen Klappernauf einer Stufe auf und fiel dann weiter hinunter. Ernest trat ärgerlich dagegen, bevor er ihn aufhob. Als er die Haustür erreichte, öffnete er sie ebenfalls mit einem Tritt, und dann hörte ich nichts mehr.

Achtzehn
    Vielleicht ist es das Malariafieber, das nun trotz des Chinins, das er genommen hat, ausbricht, denn alles um ihn herum erscheint ihm sonderbar gelb. Die lange festgestampfte Straße vor ihm hat eine helle Ockerfarbe, die Berge dahinter sind etwas dunkler. In dem Fluss namens Maritza strömen Unmengen von Wasser in rasender Geschwindigkeit vorbei, da es nun schon seit fünf Tagen regnet, und auch der Regen ist gelb.
    Er hat nicht gut geschlafen, seit er aus Paris fort ist, was es ihm noch beschwerlicher macht, durch den Regen zu laufen. Und weder der Regen noch das Laufen scheinen je ein Ende zu nehmen. Ganze Flüchtlingskolonnen drängen sich auf der Straße nach Karagatsch. Auf ihre Karren haben sie alles geladen, was sie nicht zurücklassen wollten, sofern sie überhaupt einen Karren dabeihaben. Die anderen laufen in der Menge, tragen Bündel oder Kinder auf dem Rücken. Die Kinder tragen so viel sie können und weinen, wenn sie zu müde sind oder zu viel Angst haben. Alle sind verängstigt und nass, und es regnet unablässig auf sie herab.
    Er weiß, dass er hier ist, um davon zu berichten, also sorgt er dafür, dass er alles sieht und niemals den Blick abwendet, auch wenn ihm von vielem, das er mitansehen muss, ganz schlecht wird. Es ist seine erste Berührung mit dem Krieg, seit er selbst im Krieg war, und allein diese Tatsache ließ ihn während der ersten zwei Tage am ganzen Körper zittern. Das

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