Madame Lotti
ich mir je machen durfte.
Das wird vollends klar, als Monsieur David, der Apotheker, aufsteht um, als Ältester, eine Rede zu halten. Er sei, wie alle anderen hier auch, heute Abend sehr, sehr glücklich.
Nun wendet er sich an mich: «Nicht nur, weil es zu essen und zu trinken gibt, sondern auch, weil du uns bereits zum dritten Mal besuchst. Du vergisst uns nicht, das ist schön und ehrt uns. Und …», jetzt macht Monsieur David eine kleine Kunstpause, «du hilfst damit Madame Lotti. Was würden wir ohne sie tun. Wer von uns hätte die Kraft, ohne Madame Lottis …»
«Stopp, stopp, stopp», greift nun Lotti ein, «das genügt, lassen Sie mich bitte aus dem Spiel, Monsieur David.»
«Oh nein, Madame Lotti, was gesagt sein muss, will ich sagen! Als Ältester darf ich das, und wenn Sie, Madame Lotti, es kurz haben wollen, bitte: Sie sind ein Engel!»
Bravorufe! Gejohle! Lacher!
Monsieur David verneigt sich kurz und setzt sich dann, worauf Ouattara sich erhebt und von Félix, dem Pfleger, sofort zurechtgewiesen wird: «Schön der Reihe nach, Ouattara, ich bin der Zweitälteste, nun rede ich.»
Félix nimmt die übergrosse Brille von der Nase, stellt die Beine etwas breiter, setzt die Brille wieder auf, holt tief Luft und meint mit ausladenden Bewegungen: «Dieser Abend ist wundervoll, auch ich möchte nun Danke sagen. Madame Lotti, wie Sie …»
«Fertig, Félix, bitte! Es ist zwar nett, aber ich bin heute nicht die Hauptperson, und du, Ouattara, bleibst auch schön sitzen, ich …»
Nun muss auch Lotti lachen. So fröhlich war der Nachtmarkt, seit ich ihn kenne, noch nie. Rund um uns stehen Zaungäste, klatschen Beifall, worauf ein kleines Mädchen beginnt, sich rhythmisch zu bewegen, so stimmig, weich und geschmeidig, wie ich dies nur hier gesehen habe. Als wieder Ruhe eingekehrt ist, Félix schier einschläft und der heute so emsige Ouattara wieder damit begonnen hat, Nachschub zu bringen, stupft mich Lotti in die Seite: «Nun wäre es an dir als Gastgeberin, noch ein Wort zu sagen.»
Ich stehe also auf, worauf abrupt Ruhe eintritt.
«Madame Lotti», hebe ich an, worauf Lotti die Augen verdreht, was alle zu neuem Gelächter veranlasst und Lotti Zeit gibt, mich anzuschnauzen: «Ich warne dich!»
«Madame Lotti», beginne ich von neuem, und weil es mir so Spass macht, hau ich noch einen drauf: «Maaaa-dame Lotti will nicht, dass man heute Abend über sie redet, das verstehe ich gut, weil heute Abend seid ihr alle die Hauptpersonen, ihr, die ihr so vieles leis…», ich unterbreche mich selbst, allzu pathetisch soll es ja wirklich nicht werden, und was ich zu sagen habe, lässt sich in einem einzigen Satz sagen: «Euch alle zu kennen, hat mein Leben bereichert.»
Donnerstag, 11. März
Punkt sechs Uhr drehe ich mich noch einmal um. Nein, keine Kopfschmerzen! Aber, ehrlich gesagt, eine halbe Flasche Bier zu viel hatte ich vielleicht schon. Warum schlafe ich heute nicht einfach aus? Als mir das knappe Wasser einfällt, klappe ich blitzschnell aus der Horizontalen in die Vertikale, achte nicht auf meinen Kopf, den ich nun doch spüre, und hechte unter die Dusche. Zu spät! Nicht ein Tropfen.
Durch das fliegenvergitterte Fenster sehe ich Ouattara seine Haare trocken reiben.
«Hattest du Wasser, Ouattara?»
Ich bekomme keine Antwort, sondern ein «Merci pour hier!», ein Danke für gestern. Ich werde es den ganzen Tag hören, jede und jeder wird sich persönlich und mit Handschlag für gestern bedanken.
«Von Herzen gern geschehen», werde ich daraufhin sagen und tue dies auch jetzt.
Frage dann noch einmal: «Hattest du Wasser, Ouattara?»
«Ja, komm runter, hier reicht der Druck noch aus, aber nicht mehr lange, beeil dich!»
Ich stolpere die Treppe hinunter, verbarrikadiere mich, drehe den Wasserhahn auf, schaffe es gerade noch, ein bisschen nass zu werden. Und wenn ich vorgestern darüber noch unzufrieden gewesen wäre, bin ich heute glücklich, dass es wenigstens dazu reicht.
Nun, ich hätte mich ebenso gut nicht waschen können, denn zwei Stunden später bin ich total verschwitzt. Nicht nur wegen der Hitze, sondern auch wegen des Adrenalinausstosses, den mir ein Abenteuer beschert, welches ich mir bis anhin noch nicht hatte zumuten wollen: eine Fahrt im Taxi! Nicht in einem der gelb-blauen, die hier wie Busse verkehren, billig sind und so viele Fahrgäste reinstopfen wie möglich. In einem orangefarbenen, das man für sich allein hat. Immerhin. Aber, ob ich mit Lotti als Chauffeuse hoch oben in
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