Madame Mystique
durch ihren Kopf. Erinnerungen an Menschen, die mit ihren Tieren in die Praxis gekommen waren, damit Maxine ihnen half. Ja, da hatte sie schon etwas für die Menschen und ihre Lieblinge tun können, wenn die ärztliche Kunst gefragt war. Sie hatte auch große Tiere behandelt, aber zumeist Hunde.
Raubtiere lebten im Zoo und wurden dort betreut, wenn sie krank geworden waren. Ihr fehlte schon die Erfahrung. Selbst Tiere, die Menschen manchmal allein durch ihr Aussehen Angst einjagten, gaben sich in der Praxis lammfromm oder hatten Angst.
Warum hatte Tabea sie hergebracht? Um sie loszuwerden? Das konnte durchaus sein. Sie wollte keinen Störenfried haben, um sich in Ruhe um die zweite Person kümmern zu können, um die es ihr ging. Maxine brauchte kein Genie zu sein, um sich auszurechnen, dass der Geisterjäger sein Ziel längst erreicht hatte. Er würde sich ebenso wundem, aber er würde auch in die Falle der beiden Frauen hineinlaufen und auch diese Rhonda unterschätzen.
Sie und Tabea waren ein perfekt eingespieltes Team und hatten ihre Rache lange vorbereitet.
Rache für was?
Noch immer dachte Maxine über das Motiv nach. Auch jetzt, wo sie sich eigentlich um ihre Flucht hätte kümmern müssen. So sehr sie grübelte, zu einem Resultat kam sie nicht. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dieser Person jemals etwas Böses angetan zu haben. Zumindest nicht bewusst.
Das lange starre Stehen war auch nichts für sie. So etwas führte nur zur Verkrampfung. Sie musste sich bewegen und die Muskeln etwas lockern, dann würde sie sich auch schnell bewegen können, wenn es sein musste.
Die Tiere schauten sie noch immer an. Drei Augenpaare waren starr auf sie gerichtet. Maxine sah das Schimmern in den breiten Schlitzen, und sie fragte sich, ob die Tiere nur neugierig waren oder schon mit dem Gedanken spielten, sie anzugreifen. Noch hatte sie ihnen keinen Grund dafür gegeben.
Sie überlegte, wie weit die Tür wohl von ihrem Rücken entfernt war. Drei Schritte? Oder vier?
Sie hatte die Entfernung nicht nachgezählt, doch sie traute sich nicht, sich zu drehen, denn diese Bewegung konnte falsch aufgefasst werden. Nur die Ruhe konnte es bringen. Kein hektisches Atmen, kein Zittern, nur nicht auf sich aufmerksam machen.
Die Leoparden lagen träge und irgendwie lässig ausgestreckt auf dem Boden.
Das änderte sich.
Zuerst war es das Tier an der linken Seite dieser kleinen Reihe, das sein Maul weit öffnete, leise fauchte und auch gähnte. Dann stemmte es sich fast im Zeitlupentempo in die Höhe, machte sogar einen Buckel und schüttelte sich.
Von seinen anderen beiden Artgenossen wurde es dabei beobachtet. Sie taten noch nichts und warteten nur ab, was wohl mit dem Tier geschehen würde.
Es stand. Es schlug lässig mit seinem Schwanz und drehte jetzt den Kopf, um Maxine Wells anzuschauen.
Nur nichts tun!, dachte sie. Nur keine Angst zeigen. Nur die Ruhe bewahren! Den Tieren zeigen, dass du nichts von ihnen willst und dich auch nicht von ihnen ins Bockshorn jagen lässt. Lass alles auf dich zukommen, dann ist die Sache vielleicht okay.
Sie versuchte sogar, den Leoparden anzulächeln, aber sie brachte nur ein Zucken der Lippen zustande.
Die große Katze schüttelte den Kopf. Sie leckte über ihr Maul, und dann ging sie den ersten Schritt.
Auch das noch!, schoss es Maxine durch den Kopf. Auch das noch, verflucht noch mal! Das ist der Wahnsinn. Sie haben Blut geleckt.
Der Leopard kam auf sie zu. Maxine hatte nur Augen für ihn, denn die anderen beiden taten noch nichts.
Die Entfernung zwischen ihnen war nicht besonders groß. Lange konnte es nicht dauern, bis die große Katze sie erreicht hatte. Was dann geschah, daran wollte sie erst gar nicht denken.
Eine Raubkatze laufen zu sehen, hat etwas Besonderes an sich. Da ist jede Bewegung mit der anderen abgestimmt. Das Spiel der Muskeln, die Leichtigkeit, die Kraft, die in diesem Körper steckte, der sich von einem Augenblick zum anderen in einen lebenden Torpedo verwandeln konnte, das alles fasziniert den Zuschauer, aber nur, wenn er es auf dem Bildschirm oder durch die Lücken schützender Gitter sieht.
Hier wurde Maxine mit dem Tier direkt konfrontiert, das um keinen Millimeter von seinem Weg abwich. Maxine war und blieb sein Ziel, das nicht aus den Augen gelassen wurde.
Es hatte keinen Sinn, wenn sie sich bewegte. Sie durfte die Raubkatze auf keinen Fall provozieren. Sie musste es so locker wie möglich nehmen, auch wenn ihr das schwer fiel.
Sie selbst war ruhig,
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