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Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Titel: Madame Zhou und der Fahrradfriseur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Landolf Scherzer
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gutgeht. Schlägt die Beine, die in engen Jeans stecken, lässig übereinander und verwandelt sich plötzlich in eine sehr selbstbewusste lachende Putzfrau.
    Weshalb sollte es ihr schlechtgehen? Sie hat eine Tochter und einen Mann, der als Maler arbeitet. Insgesamt verdient sie hier und bei einer zweiten ausländischen Familie 150 Euro im Monat. Zwar wohnt sie in einem kleinen Hutong-Haus und muss sich mit anderen Familien eine Wasserleitung und eine Toilette teilen. »Aber wir leben in Peking.«

    Die Ayi
    Sie ist mit ihrem Mann und der damals 2-jährigen Tochter aus einem Dorf bei Wuhan nach Peking gekommen. Seitdem hat sie nur bei Ausländern geputzt. Bei Chinesen möchte sie das nicht tun. »Entweder, sie behandeln einen, als ob man zur Familie gehört, sozusagen die Großmutter ist, die für alles und alle und immer da sein muss. Oder sie denken, dass sie die neuen chinesischen Kaiser sind und man dankbar sein muss, dass man als Untertan für sie arbeiten darf.«
    Bei Ausländern dagegen ist sie einfach nur angestellt. »Arbeit gegen Lohn, mehr nicht.«
    Manche Ausländer fragen, wie sie heißt. »Dann sage ich:Du Qiongfang, aber meiner Tochter habe ich, damit es ihr einmal bessergeht, den amerikanischen Namen Merry, wie merry christmas, gegeben!«
    Alles, was sie und ihr Mann verdienen und nicht unbedingt zum Leben brauchen, legen sie für die Zukunft von Merry zurück.
    Sie haben zu Hause in Wuhan eine Wohnung gekauft, die sie vermieten. »In vier Jahren wird Merry aufs Gymnasium gehen. Dann kehren wir nach Wuhan zurück.« Denn in Peking kann die Tochter von Wanderarbeitern, die keine Einwohnerkarte von Peking besitzen, nicht das Abitur ablegen. Wenn sie viel Geld hätten, könnten sie den Gymnasiumsbesuch in Peking bezahlen, doch die Abiturprüfung müsste Merry trotzdem zu Hause machen. »Aber das wäre sehr schwer für sie, denn in den Pekinger Gymnasien lernen Schüler weniger als die in den Provinzen. In Peking müssen vor allem die Kinder der Reichen zum Studium gebracht werden.«
    Ich frage, was ihre jetzt 10-jährige Tochter werden möchte.
    »Am liebsten Ärztin. Sie hat Angst, Spritzen zu bekommen und könnte dann anderen Leuten Spritzen geben. Oder Lehrerin.«
    »Ist sie gut in der Schule?«
    Qiongfang lacht. »Nein, nur Mittelmaß. Aber sie liebt es nicht, dass man sie in der Schule zu etwas zwingt, was sie nicht möchte. Als Lehrerin, sagt sie, könnte sie andere zwingen, etwas zu tun, was sie nicht wollen.«
    »Und Sie, sind Sie gern zur Schule gegangen?«
    »Die Schule war angenehmer als die Arbeit auf dem Feld. In unserem Dorf, in dem sehr arme Bauern lebten, wurden wir Kinder oft nur wie nützliche Arbeitstiere behandelt.«
    »Was haben Sie nach der Schule gelernt?«
    »Ich wurde in der Stadt als Bedienerin eingestellt.«
    »Weshalb sind Sie mit Ihrem Mann und der zweijährigen Tochter nach Peking gegangen?«
    »Mein Mann hoffte, als Maler in der Hauptstadt eine gute Arbeit zu finden. Auch ich verdiene in Peking als Ayi das Vierfache von dem, was ich in der Provinz als Bedienerin erhalten habe. Wir können hier Geld für Merry sparen.«
    »In vier Jahren kehren Sie nach Wuhan zurück. Die Eltern werden sich freuen, dass Tochter Qiongfang und Enkelkind Merry wieder zu Hause sind.«
    Qiongfang schweigt. Trinkt Tee. Und wechselt das Thema. »Bis es so weit ist, werde ich hier als Ayi arbeiten. Mein Mann sagt zwar, dass ich aufhören soll. Er würde für uns sorgen und den Kredit für die Wohnung allein abbezahlen. Doch ich werde das nicht tun. Ich will als Frau meinen Teil beitragen.«
    »Auch später zu Hause in Wuhan?«
    »So lange, bis Merry einen Mann und ein Kind hat, werde ich, wenn ich dort einen Job finde, auch in Wuhan arbeiten.«
    Danach will sie zu Hause bleiben. »Ich möchte dem Enkelkind all das geben, was ich in meiner Kindheit nicht erhalten habe: sehr viel Liebe und Fürsorge. Es soll nur aus meinen Erzählungen erfahren, dass man als Kind geschlagen wird und auf dem Feld der Großeltern arbeiten muss.«
    Als wir den Tee ausgetrunken haben, will sie aufstehen und neuen brühen. Sie fragt, ob wir während des Gespräches den Fernseher anmachen können. »In unserer Hutong-Wohnung haben wir keinen Fernsehapparat.«
    Ich weiß nicht, wie das Gerät eingeschaltet wird, brühe Tee und frage Qiongfang, was für sie ein guter Tag ist.
    »Wenn mir beim Putzen nichts herunterfällt und ich die Wäsche nicht in ein falsches Fach räume.« Lachend ergänzt sie: »Ich habe in der Woche zwei

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