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Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Titel: Madame Zhou und der Fahrradfriseur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Landolf Scherzer
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dass er wegen meiner Weigerung, auch das Restaurant »Wu Ming – Namenlos« zu nennen, verstimmt ist. Doch später erfahre ich von der Dolmetscherin, dass eine Meinungsverschiedenheit für einen Chinesen gewöhnlich kein Grund ist, sich überstürzt zu verabschieden. Aber weil wir das Angebot von Herrn Wu Ming, uns 8 Tage zu begleiten, im Beisein der »kleinen chinesischen Restaurantangestellten« gekürzt haben, hat er »vor anderen sein Gesicht verloren«. Und das ist das Schlimmste, was einem Chinesen passieren kann.
    Als wir gehen, kommen wir im Erdgeschoss am Speisesaal vorbei, in dem etwa dreißig Köche und Küchenhilfen in weißen Kitteln und mit weißen Mützen und Hauben an weißgedeckten runden Tischen sitzen und ihr Mittagessen aus Schälchen »stäbeln«. Die kleine Bedienerin serviert lachend das Essen.

    Die Galerie von Rong Jian befindet sich auf einem großflächigen Betriebsgelände, in dem außer einem Heizhaus mit hohem Schornstein und Verwaltungsgebäuden noch 6 Fabrikhallen stehen. Als ich mir die aus roten Klinkern erbauten Fabriken ansehe, traue ich meinen Augen nicht. Auf der anderen Hälfte der Erdkugel errichtet, gleichen die Hallen denen der Kammgarnspinnerei in Mühlhausen wie ein Ei dem anderen. Ihre wellenförmig aufgesetzten Giebeldächer bestehen auf einer Seite aus einem mit Bitumen gedeckten Viertelkreisteil und auf der anderen aus einer gläsernenSchräge. Die Hallen hat man so angeordnet, dass die Fensterfronten nach Norden zeigen, wodurch das Licht gleichmäßig von oben in die sonst fensterlosen Gebäude einfällt. An einer Eisentür sehe ich auf einer alten, sonst nicht mehr zu entziffernden Firmen-Prägung noch deutlich die ausgestanzte Bezeichnung »Made in GDR«.
    »Dieser Staatsbetrieb ist vor über 50 Jahren, als die Beziehungen zwischen der Volksrepublik China, der UdSSR und der DDR noch intakt waren, von 150 Architekten und Konstrukteuren der DDR, die 1957 als ›Aufbauhelfer‹ nach China geschickt worden waren, entworfen worden. Chinesische und sowjetische Ingenieure und Maurer haben danach die Fabrik errichtet, die 1960 eingeweiht wurde«, erklärt mir Klaus.
    Im Dezember 2000 begannen chinesische Künstler, Galeristen und Designer, die inzwischen zum Teil leerstehenden Fabriken vom Schutt zu befreien, mieteten die Räume für wenig Geld, hatten viel Platz und die Möglichkeit, kreativ, von Partei und Staat relativ unbehelligt, zeitgenössische Kunst zu schaffen, auszustellen und zu verkaufen. Aus der Fabrik mit der Nummer 798 entstand die »Kunstzone 798« mit Galerien, Ateliers, Studios, Klubs und Bars.
    Dem Galeristen Rong Jian stehen seine dunklen Haare nicht wie vielen Chinesen stopplig und borstig gleich einem Igel in die Höhe, sondern sie sind leicht gewellt. Er trägt einen braunen Pullover und darüber eine bronzefarbene vielgliedrige Metallkette. Bevor er uns seine Galerie zeigt, lädt er zum Essen ein. Er führt uns in ein zweistöckiges turmähnliches Gebäude, das früher ein Domizil der Meister und Büroangestellten war. Eine alte Frau hockt vor einem zweiflammigen Gasherd und kocht darauf einen großen Fisch einer mir unbekannten Sorte, dessen herausgezogene Flossen sie anschließend durch goldgefärbte Teilchen ersetzt. Aus dem geschmückten Fisch reißt sich jeder seine Portion mit Stäbchen heraus. Als auch mir dasendlich gelingt, frage ich den Galeristen, was früher in der heutigen »Kunstzone« produziert worden ist.
    »Vor allem Rüstungsgüter, Waffen«, erklärt er und fügt lachend hinzu: »Kunst ist Waffe.« Er weiß sogar, dass diese Losung von dem kommunistischen deutschen Schriftsteller Friedrich Wolf stammt. »Er hat sie 1928 in seiner Rede vor Theaterleuten zum ersten Mal verwendet.«
    Der Galerist schweigt einen Moment, dann erklärt er unsicher, als müsste er sich dafür entschuldigen: »Ich weiß das, ich habe von 1983 bis 1986 Philosophie studiert.«
    »Und was haben Sie davor gemacht?«
    Der Galerist
    »Meine Eltern waren reiche Bauern. 1949, nach der Gründung der Volksrepublik China, wurden sie enteignet. Seit 1949 gibt es in China nur noch staatliches Eigentum an Grund und Boden. Wer heute ein 30-stöckiges Hochhaus bauen will, muss den Boden dafür vom Staat pachten.«
    Als Rong Jian 1975 die Schule beendet hatte, wollte er studieren. »Aber damals waren die Roten Garden der Kulturrevolution unterwegs. Philosophie zu studieren galt als bürgerlich dekadent. Und ich ging fünf Jahre zur Chinesischen Volksbefreiungsarmee, zu

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