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Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Titel: Madame Zhou und der Fahrradfriseur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Landolf Scherzer
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Medizinern, Künstlern und Parteifunktionären sprechen.
    »Morgen vielleicht mit dem Abt Huo Huaxu und dem Unternehmer Xuan Jiaguo.«
    Weil ich seinen Plan, noch länger in der Provinz Shandong zu bleiben, leider wegen der Dolmetscherin abgelehnt hätte, sei es nun schwierig, auch mit dem Heiler Liu Junbo einen Termin zu vereinbaren. Wahrscheinlich sei ein Gespräch mit ihm nur heute Abend möglich.
    »Gut«, sage ich. »Dann gleich heute.«
    Zum Schluss kosten wir, wie nach jedem guten Essen, ein wenig vom Reis und löffeln die Nudelsuppe mit Hühnerfleisch. Und machen auch noch mit Schnaps das Glas trocken.
    Zum Gespräch mit Dr. Liu Junbo treffen wir uns in Kunis Hotelzimmer. Sie bittet mich verlegen, den Heiler nicht sofort über die Medizin, sondern erst über sein Leben zu befragen. »Begriffe der Traditionellen Chinesischen Medizin sind den Europäern nur schwer zu übersetzen.« Deshalb möchte sie sich erst warmreden. Sie lacht mit ihren großen, schönen braunen Augen, und ich beginne das Interview also sehr förmlich. Es sei für mich eine Ehre mit einem Doktor der inzwischen weltweit bekannten und nachgeahmten Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) sprechen zu dürfen. Ich möchte wissen, wann und wo er geboren wurde und was er gelernt hat.
    Es klopft. Dr. Liu Junbo öffnet und nimmt der Bedienerin das Tablett mit Tassen und einer Kanne Tee ab. Als er den grünen Tee eingeschenkt hat, berichtigt er: »Ich bin kein Doktor der Medizin, sondern ein Doktor für Maschinenbau und Mechanik!«
    Doch wenn ich das Leben seiner Familie kenne, würde ich verstehen, weshalb ihn mir Herr Wu Ming als Heiler vorgestellt habe.
    »Ich bin 1973 im Norden von China, in dem Dorf, in dem auch die letzte Frau von Mao Zedong gewohnt hat, geboren.Meine Eltern waren wie andere Bauern aus der Provinz Shandong, in der es für zu viele Bauern zu wenig Land gab, in den bevölkerungsarmen Norden gezogen. Doch dort war es im Winter so kalt, dass die Schule drei bis vier Monate geschlossen werden musste. Mein Bruder erkrankte regelmäßig an Halsentzündungen, hatte Fieber und …« Kuni schaut mich, die Schultern hochziehend, verzweifelt an. »Dafür weiß ich den deutschen Namen nicht: wenn aus den Ohren Flüssigkeit herausläuft.«
    Als Liu 5 Jahre alt war, ist die Familie aus dem kalten, unfruchtbaren Norden nach Shandong zurückgegangen.
    »Mein Vater begann mit Maschinen für Mühlen und Bewässerungsanlagen zu handeln. Er sparte jeden Yuan, damit ich die Hohe Schule besuchen und danach studieren konnte. Dass ich ein Doktor und Lehrer für Maschinenbau und Mechanik geworden bin, verdanke ich meinem Baba. Und wahrscheinlich hätte ich mich mein Leben lang nur mit Maschinen beschäftigt, wenn in meiner Familie nicht so viele Leute erkrankt wären. Schon während meines Studiums starb die Großmutter an einer, wie die staatlichen Ärzte damals sagten, unheilbaren Krankheit. Ein Jahr später, 1998, lernte ich meine Frau kennen, die an unserer Universität Elektronik studierte. Sie litt ständig unter schrecklichen Kopfschmerzen. Und 1999 konnte meine Mutter plötzlich nicht mehr laufen. Damals wünschte ich mir, dass ich anstelle der Mechanik einer Maschine die Mechanik in einem Menschen begreifen könnte. Ich begann im Selbststudium Bücher über die Lebensenergien, über Yin und Yang und über die Heilmethode der Traditionellen Chinesischen Medizin zu lesen, erwarb mir als Autodidakt praktische Kenntnisse der Krankenbehandlung durch Heilkräuter, Massagen, Ernährungsumstellung, Akupunktur und Schröpftechniken. In den Sommerferien wandte ich das Neuerlernte an. Ich massierte die Stellen, die im Körper meiner Mutter den Fluss der LebensenergieChi blockierten. Am Ende der Ferien konnte sie wieder laufen. Und meine Frau befreite ich von ihrem unerträglichen Kopfschmerz.«
    Dadurch sei er schon während des Studiums zwar von Beruf Maschinenbauexperte, aber von der Berufung her Heiler geworden.
    Er schenkt grünen Tee nach. Danach hält er für Kuni eine lange Rede, die sie nicht sofort übersetzt. Er will mir die Prinzipien der auch auf der Philosophie des Taoismus basierenden Traditionellen Chinesischen Medizin erklären sowie deren Unterschied zur europäischen Schulmedizin deutlich machen. Und versucht es mit der Lehre von der Funktionsweise der Maschinen, denn auch der menschliche Organismus funktioniere nach mechanischen Regeln.
    Nach einer Viertelstunde fasst Kuni für mich zusammen: »Die Lebensenergie für eine Maschine,

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