Maddie - Der Widerstand geht weiter (German Edition)
Wandschirme aufgeflammt, die mich mit Fakten, Statistiken und Erfolgsmeldungen von Umerziehungscentern bombardierten. Man hatte das Gefühl, einen Neonschrein zu betreten. Die meisten Lobeshymnen galten Richard Vaughn und seinen bahnbrechenden Forschungen in den Bereichen der Psychologie und Neurophysiologie. Fasziniert starrte ich eine Karte der Vereinigten Staaten an, die sämtliche Umerziehungscenter als rote Punkte zeigte. Je größer die Markierungen, desto mehr Leute wurden dort behandelt. Fast jeder Bundesstaat hatte ein Center. Die meisten Punkte waren allerdings klein. Das größte befand sich in Iowa und wie ich feststellte, war das drittgrößte bereits das DCLA .
Als ich auf die offene Bürotür zukam, hörte ich Stimmen, die in den Flur drangen. Beide waren männlich. Ich erkannte die lautere, herrischere, und fiel vor Überraschung fast um.
»Wenn ich die Anstalt besichtigen will, habe ich jedes Recht dazu«, hörte ich meinen Vater verkünden, und erstarrte mitten in der Bewegung.
»Nur mit Ankündigung und Termin«, erwiderte die andere Stimme. »Das hier ist mein Bereich, Kevin, nicht deiner. Du hast keine Macht über meine Center, und dir fehlen die Fachkenntnisse, um meine Arbeit infrage zu stellen.«
Ich presste mich mit dem Rücken flach an die Wand, als könnten die beiden mich sonst um die Ecke sehen. Die Angst- und Panikgefühle, gegen die ich seit Monaten ankämpfte, drohten mich zu überwältigen.
»Ich will mich nicht in deinen Arbeitsbereich drängen, Richard«, sagte mein Vater beruhigend. »Aber im DCLA befinden sich meine Schüler … und meine Tochter. Also ist es wohl verständlich, dass ich an einer Besichtigung interessiert bin.«
»Dann schreib einen Antrag, in dem du mir deine Bedenken nennst, und vereinbare einen Termin. Wir erlauben keine Spontanbesuche.«
»Findest du nicht, dass wir zusammenarbeiten sollten?«, fragte mein Vater. »Schließlich haben wir die gleichen Ziele. Wenn wir kooperieren, dürfte das System dadurch nur besser werden.«
Ich runzelte die Stirn. Mein Vater kooperierte nie freiwillig mit anderen. Bestimmt hatte er ein anderes Motiv.
»Im DCLA helfen wir jungen Menschen auf den rechten Weg, genau wie du. Ist das etwa keine Zusammenarbeit? Das Center ist ein sicherer Ort, an dem sie sich geborgen fühlen können. Wir bieten ihnen hier ein verdammtes Paradies, Kevin! Deshalb hast du doch das DS -System entworfen, oder nicht? Um eine perfekte, friedliche Welt zu schaffen, wo niemand in Angst leben muss? Wo Gewalt und Diskriminierung der Vergangenheit angehören?«
»Das war jedenfalls meine Absicht«, sagte mein Vater.
»Tja, und ich habe deine Absichten finanziert. Ich habe die Umerziehungscenter gebaut, um deine Vision zu unterstützen. Solange der Aufsichtsrat kein Problem mit mir hat, sehe ich nicht ein, warum ich meine Arbeitsmethoden offenlegen sollte. Ich bin sicher, du bist in manchen Punkten genauso an Privatsphäre interessiert. Oder möchtest du, dass alles ans Licht der Öffentlichkeit kommt?«
Ich konnte kaum glauben, was ich hörte. Richard Vaughn erpresste meinen Vater und benutzte mich als Druckmittel.
»Meine Bedenken betreffen die Methoden, mit denen du deine Patienten ›auf den rechten Weg bringst‹«, gab mein Vater zurück.
»Die Neurowissenschaft ist mein Feld«, sagte Vaughn. »Die Pädagogik ist deines. Ich schaue dir nicht auf die Finger. Also sei so höflich und halte dich von meiner Arbeit fern. Du scheinst zu vergessen, wer von uns die Zügel in der Hand hält. Wenn dir meine Spielregeln nicht gefallen, kann ich dich jederzeit durch jemanden ersetzen, der weniger kleinlich ist.«
»In meinen Plänen waren Umerziehungscenter überhaupt nicht vorgesehen«, hörte ich meinen Vater sagen.
»Nein, du wolltest nur eine friedliche Gesellschaft. Du siehst dich als den großen Orchesterleiter, der alles dirigiert. Aber ich sorge dafür, dass deine Musiker nicht aus dem Takt geraten. Wenn die Menschen sich heutzutage in Ruhe lassen, hast du das mir zu verdanken. So sah deine Zukunftsvision doch aus, oder? Du wollest, dass man sich gegenseitig in Ruhe lässt. Und die Öffentlichkeit ist ganz deiner Meinung.«
»Mag sein, aber können wir jetzt auf das Thema zurückkommen? Was ist mit meiner Tochter?«, fragte mein Vater.
»Gib mir nicht die Schuld, dass du keine Kontrolle über sie hast. Ich habe dir genug Chancen gegeben. Ich habe sogar zugelassen, dass sie als Patientin in unseren Akten auftauchte, obwohl sie in
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