Made in Germany
Stundenkilometer,
und es geht weiter. Am Ende braust die Limousine mit über 200 km/h über die Straße.”
Dieses Lust auf mehr machende Versprechen liegt übrigens auch auf feinstem Büttenpapier ausgedruckt im Handschuhfach. So kann der Autobahntourist es sich noch einmal ganz in Ruhe zu Gemüte führen, während er vier Stunden lang im Stau am Heumarer Dreieck darauf wartet, dass er endlich den Vorteil seines rassigen Traum-Ferrari gegenüber dem 14 Jahre alten Fiat Ritmo ausspielen kann, der auf der Nebenspur genauso langsam vorwärtskommt! Hier im Stau hat jeder – ob arm oder reich – die gleich schlechten Bedingungen! Auch das ist Deutschland! Demokratie pur!
Aber: Zum Glück ist nicht immer Stau! Und wer sich 2999 Euro für einen Wochenendtrip leisten kann, der muss ja nicht ausgerechnet zu den Stoßzeiten auf die Piste gehen: Als Stoßzeiten gelten außerhalb der Schulferien der Berufsverkehr und innerhalb der Schulferien die Schulferien. Ansonsten spielt man überall gern das beliebte Baustellen-Roulette: Die Chancen stehen eins zu 36, dass die Strecke ohne Baustellen ist!
Für ängstliche Gäste, die nicht den Schneid haben, mit Tempo 250 auf ein Stauende aufzufahren, böte sich der sogenannte passive Autobahntourismus an – das muss man sich so vorstellen wie auf einer Safari: Aus angemessener Entfernung beobachten die neugierigen Tempo-Freunde von beheizten Tribünen aus mit dem Fernglas Porsche-Piloten und BMW-Raser bei ihren waghalsigen Überholmanövern – und während bei einer Safari der Gazellen zerfleischende Löwe als unumstrittener Höhepunkt gilt, greifen die Autobahngaffer zu ihren Fotoapparaten, wenn der 22-jährige Bleifuß von routinierten Feuerwehrmännern aus den Resten seines VW Scirocco geschweißt wird. Natürlich ist das makaber, aber wenn diese Vision Wirklichkeit werden sollte, kann niemand sagen, ich hätte ihn nicht gewarnt!
Als Raser-Paradies ist Deutschland ein Biotop. Schon in den unmittelbaren Nachbarländern sieht es ganz anders aus. Zum Beispiel in der Schweiz. Da gilt auf den Autobahnen Tempo 120 – aber das reizt natürlich kein Schweizer aus. Ein Volk, das völlig zu Recht als langsamer
gilt als ein 90er-Jahre-Laptop, fährt keine 120 Stundenkilometer! Der Schweizer erlebt ja schon einen Geschwindigkeitsrausch, wenn er ausparkt ! Was der Schweizer „Fahren” nennt, das nennen wir Deutsche „Rollen”!
Und obwohl die Eidgenossen Gemütlichkeit auch auf der Autobahn großschreiben, ist die Schweiz komplett vermintes Gelände: alles voller Blitzkästen! Als ich zum ersten Mal mit dem Auto über die A5 Richtung Basel gebrettert bin, habe ich die Autobahn nicht mehr gesehen! Ich habe mich gefühlt wie Jörg Kachelmann vorm Landgericht – ein einziges Blitzlichtgewitter! Ich musste keine Urlaubsfotos mehr machen – das hat die Schweizer Verkehrswacht für mich übernommen! Merci vielmals an dieser Stelle! Ich hätte gern ein paar Abzüge für meine Verwandten!
Ich fahre häufiger in die Schweiz. Mittlerweile kenne ich das Tempo der Nachbarn. Ich spüre instinktiv, ob ich die Grenze schon passiert habe. Wenn man von Deutschland die Grenze zur Schweiz überquert, hat man das Gefühl, man fährt in ein Zeitloch. Du kommst
mit zweihundert Sachen an, und plötzlich denkst du: „Ooooooh, daaaaas ist abeeeeer schööööön langsaaaaam hieeeeer …, oder?”
120 km/h – das reicht gerade mal für den zweiten Gang!
Aber ich weiß, warum die Schweiz ein Tempolimit von 120 hat: Die Schweiz ist klein, die Schweiz ist verdammt klein! Wenn man nicht aufpasst, fährt man einfach durch! „Wwrrrrrrm – oh, das war die Schweiz? Interessant! Aber schnell vorbei!”
Auch in den Schweizer Innenstädten wird das Tempo rausgenommen. An einer deutschen Ampel wird losgefahren, sobald das Signal auf Gelb springt. In der Schweiz warten die Autofahrer, bis es Grün ist – und dann fahren sie immer noch nicht los, sondern starten erst mal den Motor.
Der Weg von der Schweiz zurück nach Deutschland ist übrigens nicht weniger gewöhnungsbedürftig: Man hat sich gerade an Tempo 120 gewöhnt, man ist komplett entschleunigt, und dann kommt man zurück nach Deutschland und hat völlig vergessen, dass es hier kein Tempolimit gibt. Dann fährst du auf der linken Spur – 120!
120 auf der linken Spur einer deutschen Autobahn kann ich nicht empfehlen! Es sei denn, man fährt einen 40-Tonner – dann wird das gerade noch akzeptiert. Alle anderen bekommen schnell unfreiwilligen
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