Madita
mehr.
»Weißt du was, Madita«, sagt sie, »ich hab Hunger.«
Da fällt ihnen ein, was Alva gesagt hat! »Ihr müßt gleich wieder reinkommen und frühstücken«, hat sie gesagt. Und da stehen sie nun, weit, weit fort von daheim, und gucken sich verdutzt an. Madita ist auch hungrig, aber umkehren will sie trotzdem nicht. Bis nach Apelkullen kann es nur noch ein ganz kurzes Stück sein, und es wäre doch schön, sich da ein Stündchen auszuruhen.
»Wir können uns vielleicht beide bei Tante Karlsson ein Ei kaufen«, sagt sie, »und wenn wir es gekauft haben, dann
fragen wir, ob wir es nicht gleich kochen und aufessen dürfen.«
»Haben wir denn Geld?« fragt Lisabet.
»Nee, das ist es ja gerade«, sagt Madita grübelnd. Aber da fällt ihr etwas ein. Sie hat den karierten Rock an, und da muß in der Tasche noch ein Zweiörestück stecken.
»Ich weiß, daß ich zwei Öre habe, denn ich hab sie erst gestern da reingesteckt«, sagt sie und fängt sofort an, die Tasche zu durchwühlen.
»Kriegt man für zwei Öre denn zwei Eier?« fragt Lisabet.
Madita schüttelt den Kopf.
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»Eigentlich nicht. Aber wir versuchen es. Wir sagen, wir wollen für zwei Öre Eier haben, und dann werden wir ja sehen, wie viele wir dafür kriegen.«
Das Traurige ist nur, daß in der Tasche gar kein Zweiörestück ist. Es ist weg. Madita zuckt nur die Achseln.
»Tja, auf zwei Öre mehr oder weniger kommt es wohl auch
nicht an, wenn man Eier kauft.«
Das findet Lisabet auch.
»Wir gehen trotzdem hin«, sagt Madita. »Vielleicht fragt Tante Karlsson uns, ob sie uns nicht zum Frühstück einladen darf, und dann sagen wir sofort, daß sie das darf.«
Die Vorstellung, daß hinter der nächsten Flußbiegung vielleicht ein Frühstück auf sie wartet, muntert die beiden sehr auf.
Sie schlittern wieder ein bißchen. Sie schlittern sogar eine gute Weile. Und dann gehen sie eine lange Strecke. Aber Apelkullen taucht noch immer nicht auf.
»Vielleicht haben sie ihren Hof im Winter woanders«, meint Lisabet.
»Ach, du bist dumm!« sagt Madita.
Aber dann kommen auch ihr Zweifel.
»Komisch ist das schon«, sagt sie. »Wenn wir Apelkullen auch bei der nächsten Biegung noch nicht sehen, sind wir bestimmt verhext, und dann sind wir zu bedauern.«
Dieser Gedanke bohrt sich in Madita fest. Das alles ist gewiß Hexerei.
Die Bäume, die dort so schön und tot mit ihren seltsamen, weißbereiften Ästen stehen – solche Bäume wachsen nur in
Hexenwäldern. Und das dunkle, blanke Eis, das die Kinder
ganz außer sich geraten läßt und sie von zu Hause fortlockt, das ist ein Hexenpfad, der kein Ende nimmt. Hier schlittern nachts sicherlich kleine, unheimliche Winterhexen herum,
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wenn es zu kalt ist, um auf dem Besen durch die Lüfte zu
reiten. Ja, ganz bestimmt ist das alles Hexerei.
Aber Lisabet will nicht verhext sein, das erklärt sie unter viel Geschluchze mit großer Bestimmtheit.
Aber ist das wohl zu glauben – gerade als sie um die Kurve biegen, was sehen sie da? Apelkullen mit seinen Ställen und seinem roten Wohnhaus.
Lisabet hört sofort mit dem Geheule auf.
»Apelkullen ist ein schöner Hof«, sagt sie zufrieden.
Das findet Madita auch.
»Hoffentlich sind sie auch zu Hause«, sagt sie. »Vor allem Tore und Maja.«
Tore und Maja sind die Kinder auf Apelkullen, und Madita mag sie gern leiden, obwohl sie schon furchtbar alt sind, fast zwanzig Jahre.
Zu passenderer Zeit hätten sie gar nicht kommen können. Als Madita und Lisabet wie zwei rotwangige Weihnachtsengel zur Tür hereingestiefelt kommen, sitzen auf Apelkullen alle gerade am Frühstückstisch, Petrus Karlsson, Tante Karlsson und
Tore und Maja.
»Habt ihr Eier?« fragt Lisabet, noch ehe jemand ein Wort über die Lippen bringt.
Madita kneift sie. Dumme Lisabet, das war doch ganz ver-
kehrt! So hätte man anfangen können, wenn man die zwei Öre noch gehabt hätte, aber die hat man ja nicht mehr.
»Ja, Kinderchen, seid ihr bei der Kälte den weiten Weg bis hierher gelaufen, um Eier zu kaufen?« ruft Tante Karlsson.
»Wie viele will eure Mama denn haben?«
Das ist sehr peinlich für Madita und Lisabet. Sie wissen nicht, wie sie erklären sollen, daß Mama sie gar nicht geschickt hat.
Madita wird noch böser auf Lisabet. Jetzt hat sie alles verdor-118
ben. Leute, die Eier kaufen wollen, lädt man nicht zum Früh-stück ein, sondern nur solche, die sozusagen auf Besuch
kommen.
»Eigentlich gehen wir nur ein bißchen spazieren«, sagt Madita.
»Ja, denn
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