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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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nicht. »Du bist gegangen.«
    Im Geiste sah Richard sich selbst auf der Gasse vor der »Diele«. Er erinnerte sich daran, wie elend er sich gefühlt hatte, und zog es vor, das für sich zu behalten. Mit der flachen Hand rieb er sich über die Kehle. Katharina war mit ihren Untersuchungen bei seiner Schulterwundeangekommen. Als sie sie betastete, raste ein bohrender Schmerz durch Richards Seite. Zischend zog er Luft durch die Zähne. »Au!«
    Unter ihren blonden Haaren hervor sah sie ihn an. »Entschuldige!« Ihre Nähe raubte ihm den Atem, viel mehr, als es der wühlende Schmerz in seiner Schulter vermochte.
    Er versuchte sich an einem Lächeln, aber offenbar misslang es, denn ein besorgter Ausdruck zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. »Du hast im Dreck gelegen« sagte sie leise.
    Er nickte. Er besaß genügend medizinische Kenntnisse, um zu wissen, was sich hinter ihren Worten verbarg. Eine Wunde wie die seine und Schmutz darin. Die Gefahr war groß, dass er Fieber bekommen würde.
    Hinter Katharina ließ Arnulf ein Räuspern vernehmen. Er wirkte angespannt, und er wich Katharina aus, als sie ihm einen kurzen Seitenblick zuwarf. Endlich kam Hiltrud mit einem Stapel Tücher. Katharina nahm das oberste, tauchte es in die Schüssel und wrang es aus. Dann wusch sie Blut und Schmutz rund um die Schulterwunde fort. Erleichtert sah Richard, dass kein neues Blut nachkam. Wenigstens war kein größeres Blutgefäß verletzt.
    »Sieht aus wie eine Stichwunde«, murmelte Katharina.
    Richard erinnerte sich daran, wie er das Messer aus seiner Schulter gezogen hatte. »Ist es auch. Nachdem ich aus der ›Diele‹ weg bin, habe ich …«
    Katharina griff nach seinem Arm und hob ihn an. Ein brutaler Schmerz raste durch seinen halben Körper, verschlug ihm die Sprache. Er biss die Zähne zusammen, um nicht aufzuschreien. Arnulfs Blick lag schwer auf ihm, und er hielt ihm stand.
    »Kannst du den Arm selbst heben?«, fragte Katharina.
    Er tat es. Es schmerzte höllisch, aber es ging.
    Katharina wirkte erleichtert. »Gut. Offenbar sind keine Sehnen oder Muskeln durchtrennt.« Sie blickte ihm ins Gesicht. »Wenn wir Glück haben …« Sie sprach nicht weiter, tupfte vorsichtig um die Wunde herum.
    Fieber, wisperte es leise in Richards Hinterkopf. Er sah zu, wie sie ein sauberes Tuch zu einem kleinen Päckchen faltete und es auf die Wunde drückte. »Kannst du das halten?«
    Er tat es mit der rechten Hand. Mit der linken jedoch griff er gleichzeitig nach ihren Fingern. Es gab so vieles, was er ihr sagen wollte, aber plötzlich fiel ihm nicht ein einziges Wort mehr ein.
    Tief sah er ihr in die Augen. »Danke«, sagte er. Mehr nicht, und er wusste selbst nicht genau, wofür er sich bedankte. Für die Behandlung seiner Wunden oder dafür, dass sie einfach nur da war.
    Sie schluckte. Forschend lag ihr Blick auf ihm. Ihr Mund öffnete sich, doch sie brachte keinen Ton hervor. Stattdessen tauchte sie den Lappen erneut ein und begann, ihm Schulter und Brust zu waschen. Aber das Blut dort war bereits angetrocknet, sie bekam es kaum ab.
    »Hiltrud«, bat sie, »hol mir die Seife aus der Apotheke.«
    Die Frau tat wie geheißen. Katharina tauchte das Stück Seife ins Wasser und seifte dann den Lappen ein. Mit diesem Hilfsmittel gelang es ihr, Richards Oberkörper, seine Arme und Hände zu säubern und sich zu vergewissern, dass er tatsächlich keine weiteren Verletzungen hatte.
    »Du bist aus der ›Diele‹ weg«, brachte nun Arnulf das Gespräch auf den gestrigen Abend zurück. »Wir haben Bier getrunken, und du wolltest nach Hause.«
    Tief sog Richard Luft ein. Er erinnerte sich daran, dass er das Gasthaus verlassen hatte. Und er erinnerte sich auch noch, wie er aus der Gasse, in der die »Krumme Diele« lag, in eine der größeren Straßen eingebogen war, wie er die Frau hatte schreien hören …
    »Jemand schrie.« Er kniff sich in den Nasenrücken. Der klaffende Schnitt in der Kehle. All das Blut. »Eine Frau.«
    Katharina warf das blutige Tuch in die Schüssel und griff sich ein sauberes, um sich die Hände abzuwischen. Dann nahm sie aus einem Kasten, den Hiltrud ihr in der Zwischenzeit geholt hatte, ein zu einem dicken Packen zusammengerolltes Stück Leinen hervor und machte sich daran, Richard einen Schulterverband anzulegen.
    Und plötzlich blitzten Bilder vor seinem geistigen Auge auf. Die entsetzten Augen der Frau, das furchtbare blutige Gurgeln, das aus ihrer zerfetzten Kehle kam, das Messer in ihrer Hand. Er sah wieder den Schatten

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