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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Gemurmel erklang. Richard sah, wie drei junge Männer sich gegenseitig anstießen und feixend auf die nächsten Worte des Predigers warteten. Ein anderer, offenbar ein Patrizier mit schütterem Haar und borstigen Augenbrauen, stand stirnrunzelnd etwas abseits.
    Der Prediger seufzte übertrieben. Wie ein nachsichtiger Vater wirkte er, der zum hundertsten Male versuchte, seine unverständigen Kinder zu maßregeln. Dann jedoch hob er an: »Wie schon Thomas von Aquin wusste, können Dämonen, obwohl sie selbst Geister sind, in einen Körper schlüpfen. Das müssen sie nämlich, wenn sie den Menschen zu unheiligem Tun verführen wollen. Nun ist es so, dass sich ein Dämon als Succubus ausgibt, und sodann ist er durch nichts von einer schönen Frau zu unterscheiden. Als solcher verführt er den Mann und empfängt so seinen Samen, den er wie in einem Gefäß in sich aufbewahrt. Dann jedoch verwandelt er sich. Als Incubus liegt er bei der Frau und zeugt mit ihr ein Kind, dessen Vater der zuvor verführte Mann ist, ohne dass er davon ahnt.« Während er diese Schauergeschichte erzählte, ließ der Prediger seine Blicke über die Schar seiner Zuhörer wandern und hielt schließlich bei einem Mann und einer Frau inne, die ein ungefähr dreijähriges Kind an den Händen zwischen sich hielten. »Du!« Mit ausgestrecktem Zeigefinger deutete der Prediger auf den Mann.
    Der sah sich unsicher um, ob wirklich er gemeint war, und als er begriff, dass das der Fall war, schaute er den Prediger ängstlich an.
    »Wer sagt dir«, fragte der, »dass das Kind, das du dort an der Hand führst, wirklich das Deine ist?«
    Die Frau öffnete den Mund, um ob dieser bösartigen Unterstellung zu protestieren, aber der Prediger schnitt ihr barsch das Wort ab. »Wer von euch«, wandte er sich nun wieder an die gesamte Menge, »kann sicher sein, dass derjenige, zu dem ihr euch legt, egal, ob es Mann oder Frau ist, wirklich der ist, für den ihr ihn haltet? Was, wenn es ein Dämon ist, der sich euch hingibt, sei es als Succubus oder Incubus?«
    Der Patrizier mit den borstigen Augenbrauen hatte sich ein Stück zurückgezogen. Unsicherheit flackerte in seinem Blick, und Richard schien es, als habe der Prediger ihn überzeugt.
    Der Vater indes hatte die Hand seines Kindes losgelassen. Sein Blick streifte das Gesicht seiner Frau, und zwischen seinen Augen erschien eine steile Falte. Misstrauen flackerte in seinem Gesicht auf. Die Worte des Predigers waren hier auf fruchtbaren Boden gefallen, dachte Richard. Zorn überkam ihn.
    »Wie kann ich mir sicher sein?«, rief der Vater dem Prediger zu. »Wenn der Dämon die Gestalt meines Weibes annehmen kann, wie kann ich sicher sein, dass es wirklich sie ist, die die Beine für mich breitmacht?«
    Die jungen Männer lachten laut angesichts der derben Worte.
    Strafend blickte der Prediger sie an. »Ihr seid nicht besser als jener hier!«, rügte er, und alle drei blickten betreten zu Boden. Der Patrizier bekreuzigte sich. »Du aber!« Der Prediger streckte den Finger nach dem Vater aus. »Du kannst nur sicher sein vor den Dämonen, wenn du dich hütest vor ihrer List. Bezähme die Wollust in dir, dann musst du nichts fürchten!«
    »Aber das heißt doch …«, setzte der Vater an.
    »… dass du enthaltsam leben sollst!«, donnerte der Prediger. »Genau das heißt es, ja! Denn es ist eine Tatsache, dass nur derjenige das Himmelreich erlangt, der keusch zu leben weiß.«
    Damit jedoch forderte er nun einen der drei jungen Männer zum Widerspruch heraus. »Aber wie kann das sein?«, rief er so laut, dass alle Umstehenden es hören konnten. Er war lang aufgeschossen, und unter der dunkelroten Kappe, die er trug, fielen ihm lange, sorgsam in Wellen gelegte Haare bis fast auf die Brust. Mit einer Hand warf er sich die Locken erst auf der einen, dann auf der anderen Seite über die Schultern nach hinten. »In der Bibel steht doch, dass Gott wollte, dass der Mensch sich vermehrt!«
    Der Prediger stand für einen Augenblick lang ganz still da, wie jemand, der völlig unerwartet einen hinterhältigen Schlag erhalten hat. »Du Narr!«, zischte er dann mit gebleckten Zähnen. »Glaubst du allen Ernstes, dass du dich erdreisten darfst, die heiligen Worte im Mund zu führen, ohne die Strafe des Herrn auf dich herabzubeschwören?«
    Der junge Mann zuckte zurück. Doch gleich darauf besann er sich,wollte widersprechen, aber der Prediger ließ ihn nun nicht mehr zu Wort kommen. »Aber da dieser Unwürdige das Unsägliche nun schon

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