Madonna
sprach es nicht aus, sondern nickte nur.
Sie wusste, dass Spindler sie durchschaute. Traurig sah er ihr ins Gesicht. »Ihr empfindet viele Zweifel, Kind! Aber glaubt mir: Es gehört zu Gottes Prüfung, gegen diese Zweifel anzukämpfen. Bleibt zuversichtlich und keusch, dann wird am Ende alles gut werden.«
Katharina senkte den Blick auf ihre Füße. Anders als bei ihrem letzten Gespräch fühlte sie sich kein bisschen getröstet, aber sie wusste, dass sie Spindler nicht die Schuld dafür geben durfte. Er tat, was in seiner Macht stand.
»Ich danke Euch«, murmelte sie.
Um von der »Krummen Diele« zum Lochgefängnis zu kommen, mussten Richard und Jonas halb Nürnberg durchqueren und über die Pegnitz in den St. Sebalder Teil der Stadt gehen.
Die meisten Stände auf dem Großen Markt waren um diese Tageszeit bereits geschlossen, denn die Dämmerung senkte sich jetzt rasch auf Nürnberg nieder. Doch ein paar Unentwegte – hauptsächlich Bauern aus dem Umland – warteten noch immer unverdrossen auf Kundschaft. Richards Blick fiel auf einen Mann, der in einem Gatter von vielleicht drei mal drei Schritt Länge zwei Kälber feilbot. Die beiden Tiere waren mager und struppig, und es war offensichtlich, warum sich bisher kein Käufer für sie gefunden hatte. Der rote Hund, den Jonas inzwischen zweimal mit seinem Namen, Rubius, gerufen hatte, schnüffelte an einem der Gatterpfosten, und eines der Kälber streckte seinen Kopf zwischen den Stäben hindurch. Als Rubius ihm in seiner Neugier zu nahe kam, zog es sich rasch wieder zurück.
Richard und Jonas ließen den Kälbermarkt hinter sich und überquerten den Obstmarkt, auf dem um diese Jahreszeit hauptsächlich Äpfel angeboten wurden. Die winkeligen, dutzendfach erweiterten und angebauten Teile des Rathauses grenzten im Westen an die freie Fläche des Obstmarktes, und unter einem reichverzierten Erker erblickte Richard einen Mann, den er kannte.
Dietrich, der Spielmann, dem er auf dem Weg nach Nürnberg den Ellenbogen eingerenkt hatte. Er bemerkte Richard, und ein Strahlenglitt über sein Gesicht. »Herr Sterner!« Fröhlich reckte er den ehemals kranken Arm in die Luft und winkte damit.
Richard lächelte anerkennend. »Das sieht gut aus!«, meinte er.
Dietrich lachte so laut, dass ein kleines Mädchen, das an der Hand seiner Mutter ganz in der Nähe vorbeiging, ihm einen neugierigen Blick zuwarf. Die Mutter jedoch betrachtete erst Dietrich, dann auch Richard misstrauisch und zog ihr Kind mürrisch weiter.
»Es fühlt sich auch gut an«, sagte der Spielmann.
»Keine Schmerzen mehr?«
»Kaum noch. Bald kann ich wieder Laute spielen, denke ich.« Dietrich sah sich um. »Verzeiht, ich habe nicht viel Zeit für eine Plauderei, die anderen warten auf mich.«
Es kam Richard gelegen. »Ich muss auch weiter.«
Dietrich tippte sich an die Stirn. »Gehabt Euch wohl!«, grinste er, dann setzte er seinen Weg fort.
Während die beiden sich unterhalten hatten, war Jonas ein Stück weitergegangen und dann bei einer kleinen Menschenansammlung stehengeblieben. Ein Mann hatte dicht an der Rathausmauer eine Kiste aufgestellt, war auf sie geklettert und unterhielt die Umstehenden mit einer flammend vorgetragenen Rede.
»… ihr euch hüten«, hörte Richard ihn schreien. »Denn wenn ihr es nicht tut, werdet ihr niemals des Himmelreiches teilhaftig!«
Der Mann war sehr mager, und sein zerschlissenes Hemd und die bloßen Füße wollten nicht recht zu seinem riesigen, kostbar aussehenden Hut aus schwarzem Samt passen.
»Erzähl uns von den Succubi, von denen du gestern gesprochen hast!«, rief ein Mann inmitten des Gedränges. Er hatte ein feistes Gesicht, in dem ein anzügliches Grinsen klebte.
Auf der Suche nach dem Rufer ließ der Prediger seine Blicke über die Menge schweifen. Als er ihn ausfindig gemacht hatte, maßen die beiden Männer sich einige Wimpernschläge lang, und es war der Dicke, der zuerst fortsah.
»Prüfe dich!«, befahl ihm der Prediger. »Schau in dich hinein, und sage mir, ob der Wunsch, den du eben geäußert hast, nicht aus reiner Wolllust geboren wurde.«
Der Dicke murmelte etwas zu seinen Füßen hin. Das anzügliche Grinsen war aus seinem Gesicht verschwunden.
»Das verspricht, spannend zu werden.« Jonas trat ein wenig näher an den Prediger und seine Zuhörer heran.
Richard wollte ihn fortziehen, aber bevor er das konnte, erhob der Prediger wieder seine Stimme. »Von den Succubi wollt ihr hören, die sich dem Manne hingeben?«
Zustimmendes
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