Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
Vom Netzwerk:
erhellt.
    »Donatus und ich sind auf der Suche nach Tobias«, erläuterte sie dem Priester. Sie waren zunächst bei Georg Öllinger gewesen, aber dort war Tobias den ganzen Tag über nicht aufgetaucht. Also hattensie beschlossen, im Spital nachzuforschen. Dr. Spindler war Tobias’ Beichtvater, der Gedanke lag also nahe, dass der Junge hierhergekommen war und sich ihm anvertraut hatte. Doch an dem Ausdruck in Spindlers Gesicht sah Katharina sofort, dass diese Hoffnung trügerisch gewesen war.
    »Er war nicht hier, nein.« Spindler sah Donatus an. »Das habe ich dir vorhin auch schon gesagt.«
    Der Bader senkte den Kopf. »Wir hatten gehofft, er wäre in der Zwischenzeit vielleicht aufgetaucht.« Aus großen Augen sah er Spindler an, und in seinem Blick lag etwas Kindliches, fand Katharina. Sein Flehen sprang ihm förmlich aus den Augen.
    Helft mir!
    »Das ist er nicht, nein.« Spindler wirkte bedrückt.
    Katharina presste die Lippen zusammen. »Ich nehme an, meine Mutter befindet sich noch immer in ihrer Klausur?«
    Dr. Spindler nickte.
    »Geht es ihr gut?«, fragte sie.
    Spindler griff nach ihrem Ellenbogen. »Ja. Ihr müsst Euch keine Sorgen um sie machen, ich kümmere mich gut um sie.«
    Katharina blickte ihm ins Gesicht. Ja, dachte sie. Das würde er tun. Sie zwang sich, ihre Gedanken wieder auf Tobias zu richten. Langsam schien ihr Kopf zu klein für all die Sorgen, die in ihm kreisten. Sie spürte, wie sich ein dumpfer Druck unter ihrer Schädeldecke aufbaute. Seufzend rieb sie sich das Genick. »Also gut. Falls Tobias hier auftaucht: Schickt mir bitte jemanden, der mir Bescheid gibt.«
    Spindler lächelte sanft. »Natürlich.«
    Katharina wollte sich schon zum Gehen wenden, als Spindler sie noch einmal aufhielt. »Kind?«
    »Ja, Doktor?«
    »Was bedrückt Euch?«
    Fragend sah sie ihn an. Sie hatte ihm eben lang und breit von ihrer Sorge um Tobias erzählt! Doch seine Worte zeigten ihr, dass er nicht von dem Jungen sprach. Er hatte sie gründlicher durchschaut, als sie je vermutet hätte. »Es ist nicht nur Tobias«, sagte er leise. »Da ist sehr viel mehr, das spüre ich!«
    Sie empfand das Bedürfnis, fortzulaufen, irgendwohin, weit weg, wo sie all das hier hinter sich lassen konnte, wo sie Frieden finden würde.
    »Ihr seid ein guter Beichtvater«, meinte sie. Sie schwieg einen Moment, hoffte, er würde nicht darauf bestehen, dass sie ihm seine Frage beantwortete. Doch er war wirklich ein guter Beichtvater.
    Er wartete geduldig.
    Endlich nickte sie. »Also gut!« Sie wollte ihm von Silberschläger erzählen, von der Sorge, dass man sie des Mordes verdächtigte, aber stattdessen drängte etwas ganz anderes aus ihr heraus. Ein Wort nur.
    »Richard!«
    Spindler warf Donatus einen Blick zu. »Kannst du uns einen Moment allein lassen?«
    Donatus zögerte. »Tobias …«, wandte er ein, aber dann, als Spindler ihm in die Augen blickte, nickte er. »Natürlich.«
    Er ging davon und verschwand um die Gangecke. Katharina lauschte seinen sich entfernenden Schritten nach.
    Dr. Spindler schaute sich um. Der Gang war kahl und unmöbliert. Nur ein einsames Holzkreuz ohne Christusfigur hing an der Wand an seinem Ende. »Nicht gerade der passendste Ort für ein Beichtgespräch«, meinte der Priester trocken. »Erzählt: Was hat es mit diesem Richard auf sich?«
    Katharina trat einen Schritt zurück, bis sie mit der Schulter beinahe die Wand berührte. »Er ist der Mann, von dem ich träume.«
    Spindler kniff sich mit Daumen und Mittelfinger in den Nasenrücken. »Die unkeuschen Träume.«
    Sie nickte schamhaft.
    »Nun.« Er machte eine Pause. Hinter seiner Stirn arbeitete es. »Erinnert Euch an unser letztes Gespräch. Alles, was uns geschieht, einerlei, ob es Gutes ist oder Böses, ist eine Prüfung Gottes. Es gibt nichts auf dieser Welt, was nicht durch seinen heiligen Willen geschieht.«
    Vor Katharina tauchten verschiedene Bilder auf. Ihr toter Bruder, der vor zwei Jahren mit Engelsflügeln in den finsteren Gängen der unterirdischen Wasserleitung gefunden worden war. Eine junge jüdische Frau, von einem wütenden Mob mit einem Schwert an die Wand genagelt. Richard am Ufer der Pegnitz, all das Blut auf seinem Körper.
    Sie konnte nicht anders, sie stieß ein gehässiges Lachen aus.
    »Auch wenn wir Gottes Willen nicht immer verstehen«, sagte Spindler, »so hat am Ende doch alles seinen Sinn in seinem göttlichen Plan! Darauf vertrauen wir.«
    Du, dachte Katharina grimmig. Du vertraust darauf.
    Ich kann es nicht.
    Sie

Weitere Kostenlose Bücher