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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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einmal gewagt hat, will ich euch nicht ohne eine Antwort nach Hause entlassen!«, rief er der Menge zu. »Ja, es steht in der Heiligen Schrift, dass Gott wollte, dass der Mensch fruchtbar sei und sich mehre. Doch dies geschah im Paradies, denn es waren Adam und Eva, zu denen er das sagte. Im Zustand vollkommener Unschuld befanden sie sich damals. Doch dann ließ Eva, das dämliche Weib, sich von der Schlange verführen, und Adam, der ihr vertraute, wurde durch sie mit ins Verderben gerissen. Durch den Sündenfall – und auch das steht in der Bibel – …«, diese Worte schrie der Prediger in Richtung des widerstrebenden jungen Mannes, »… kam die Wollust in die Welt, und von diesem Augenblick an war es die Pflicht der Menschen, dagegen anzukämpfen!« Er riss beide Hände in die Höhe, wie um seine Schäfchen zu segnen. Die Augen rollten in seinem knochigen Schädel hin und her, und auf Richard machte der Mann den Eindruck, als habe er den Verstand verloren. Die Umstehenden jedoch schienen das nicht so zu sehen. Etliche von ihnen bekreuzigten sich, steckten beunruhigt die Köpfe zusammen und tuschelten ängstlich angesichts dieser Demonstration von heiligem Furor. Der Patrizier mit den buschigen Augenbrauen war nirgends mehr zu sehen. »Geht jetzt!«, keuchte der Prediger, nachdem sich seine Gesichtszüge wieder geglättet hatten. »Versucht wenigstens, keusch zu leben, ihr Elenden!« Und mit diesen Worten scheuchte er die Menschen auseinander wie eine Herde dummer Schafe.
    Jonas lachte leise.
    »Komm!« Richard griff nach seinem Ellenbogen. »Wir müssen weiter.«
    Jonas nickte, rief Rubius an seine Seite und tätschelte ihm den großen Kopf. »Das war recht unterhaltsam, nicht wahr?«
    Rubius hechelte nur.
    »Unterhaltsam?« Richard war noch immer bemüht, seine Wut im Zaum zu halten. »Solche Kerle können eine ganze Stadt in Brand setzen mit ihren unseligen Reden!« Er blickte sich um und entdeckte die kleine Familie mit dem dreijährigen Kind, die in einigem Abstand hinter ihnen durch dieselbe Gasse ging. Deutlich waren die Zweifel in der Miene des Vaters zu sehen, die Zweifel darüber, ob er nicht von einemDämon gehörnt worden war. Die Frau schien seine Unsicherheit zu spüren. Wenn sie eben noch dicht bei ihrem Mann gestanden hatte, hielt sie jetzt wohlweislich eine Armeslänge Abstand. Nur das Kind schien nichts von der Spannung zu ahnen, die plötzlich zwischen seinen Eltern herrschte. Es hatte Rubius entdeckt und strebte fröhlich auf den großen Hund zu.
    Rubius wedelte freundlich.
    »So viel dazu«, meinte Jonas zufrieden.
    Richard begriff nicht, was er damit sagen wollte. Fragend sah er ihn an, und Jonas deutete auf Rubius. »Er ist der klügste Hund, den ich kenne! Er weiß, dass dieses Kind kein Dämonenbalg ist.« Er sagte das so laut, dass die Mutter des Kindes es hören musste. Hoffnungsvolle Erleichterung huschte über ihre Miene, und unsicher sah sie ihren Mann an.
    Dessen finstere Miene glättete sich nur wenig.
    Hoffentlich, dachte Richard, würde die arme Frau zu Hause nicht die anmaßenden Worte des Predigers ausbaden müssen. Wieder wallte Zorn über den Prediger in ihm auf.
    Inzwischen hatten sie das Rathaus in seiner gesamten Länge abgeschritten und gelangten auf die Burgstraße. Während die kleine Familie zum Großen Markt abbog und aus Richards Blick verschwand, wandten Richard und Jonas sich der schmalen Gasse zu, in der das Lochgefängnis lag.
    Da Gabriel Dengler, der Lochwirt, sie nicht erwartete, beschloss Richard, den Klingelzug zu betätigen, der auf der gegenüberliegenden Seite der Gasse befestigt war. Als Richard die Hand nach dem steigbügelförmigen Griff ausstreckte, bemerkte er den toten Frosch, der daran befestigt war. Eine Drahtschlaufe war dem erbarmungswürdigen Tier so eng um den Leib geschlungen, dass es beinahe in zwei Hälften zerschnitten wurde. Im Licht der einen Fackel, die neben der Tür brannte, wirkte sein auf die Wand geworfener Schatten wie ein böses Omen.
    Jonas verzog das Gesicht. »Bäh!«, machte er. »Was soll das denn?«
    Richard schob die Drahtschlinge zur Seite, sodass er die Klingel betätigen konnte. Ihr Scheppern war durch die dicken Mauern und die massive Eichentür hindurch nur schwach auszumachen. »Ein Kinderstreich. Sag bloß, du kennst das nicht?«
    Der Junge rief Rubius zur Ordnung, der neugierig an dem toten Frosch schnupperte, dann zuckte er die Achseln. »Ich komme nicht aus Nürnberg.«
    Richard nickte. »Ja dann.« Und er

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