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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Lorenz schon längst hinter ihr zurückgeblieben war, ging ihr auf, dass sie sich dabei die ganze Zeit die Schläfe rieb. Jene Stelle, an der in ihrem Traum Richards Atem sie gestreift hatte.
    Das Gasthaus » Zur krummen Diele« lag am Ende einer Gasse, nicht weit entfernt vom Spittlertor. Eine Handvoll Wirtshäuser drängte sich hier im Schatten der Stadtmauer zusammen, und unter diesen war die »Krumme Diele« eines der kleineren, verschwiegeneren, in dem man nur selten Menschen aus den höheren Schichten antraf. Was der Grund dafür war, dass sich Konrad Rotgerber für diesen Ort entschieden hatte.
    Nachdem der Apotheker ihn in Heilig-Geist aufgesucht hatte, hatten sie gemeinsam ein üppiges Frühstück eingenommen und sich beim Verzehr von Fleischpastete und kräftigem Brot über die Einrichtung der neuen Spitalapotheke unterhalten. Während des Gesprächs hatte Rotgerber zunehmend den Eindruck gewonnen, dass Öllinger für seine Zwecke genau der richtige Mann war. Und so hatte er ihm vorgeschlagen, das Gespräch an einem anderen Ort fortzusetzen. Es gebe da etwas, das sie noch klären müssten, hatte er gesagt. Ein kleines Problem, das es aus der Welt zu schaffen galt. Es war Öllinger anzusehen gewesen, dass ihn dieses Ansinnen erstaunte, aber dennoch war er Rotgerber willig in die »Diele« gefolgt.
    Gemeinsam saßen die beiden Männer nun an einem der runden Tische, während Niklas, der Wirt, ihnen zwei Becher mit dampfendem Wein brachte.
    Rotgerber griff danach und schnupperte wohlig an dem heißen Getränk. »Ah!«, machte er, dann nahm er einen Schluck. Warm und ein wenig kratzig rann ihm die Flüssigkeit durch die Kehle und reizte ihn zum Husten. Er stellte den Becher zurück auf den Tisch. »Das ist doch was anderes als die Plörre, die sie uns in der Spitalküche vorgesetzt haben, oder?«
    Georg Öllinger lächelte. Auch er griff nach seinem Becher, doch er pustete erst auf die Flüssigkeit, bevor er einen Schluck trank. EinTropfen der blutroten Flüssigkeit blieb an seiner Unterlippe hängen, und er leckte ihn ab. »Ihr habt recht«, sagte er, noch immer lächelnd.
    Er ist auf der Hut, dachte Rotgerber. Verständlich.
    Rotgerber wusste, dass der Apotheker sich fragte, warum er hierhergeführt worden war.
    »Es ist guter Wein«, sagte Öllinger. »Ich muss gestehen, ich war skeptisch, ob Ihr nicht übertreibt.«
    Rotgerber lachte dröhnend. Die »Krumme Diele« war tatsächlich nicht der vertrauenerweckendste Ort in Nürnberg. Aber die Leute hier waren verschwiegen, und das mochte er. »Der gute alte Niklas macht den besten Würzwein, den ich je getrunken habe. Und was wärmt einem an einem solch hundskalten Tag wie heute besser Magen und Seele, nicht wahr?«
    Der Apotheker nickte, nahm aber keinen weiteren Schluck. »Doch jetzt sprecht«, bat er. »Warum habt Ihr es vorgezogen, hier weiterzureden und nicht in Heilig-Geist?«
    Rotgerber nahm seinen Becher zwischen die flachen Hände und drehte ihn langsam hin und her. »Ich wollte etwas mit Euch besprechen, das zunächst besser unter uns bleiben sollte. Im Spital haben die Wände Ohren, und ich dachte mir, hier sind wir besser dran.« Sein Blick wanderte in die Runde, aber bis auf einen einsamen Zecher an der Theke, der stumpfsinnig in sein Bier schaute, war der Schankraum zu dieser frühen Tagesstunde leer. Sie würden ungestört und vor allem unbelauscht reden können.
    Öllinger lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Der Mantel, den er beim Eintreten in die gutgeheizte Schankstube ausgezogen und über die Lehne des Nachbarstuhles gelegt hatte, hatte einen Kragen aus rotem Kaninchenfell, das bei weniger genauem Hinsehen als Fuchspelz hätte durchgehen können. Mit dem Daumen streichelte er darüber, während er wartete, dass Rotgerber weitersprach. Er wirkte unsicher und ein wenig verwirrt. »Ihr macht mich neugierig«, sagte er, als der Spitalmeister schwieg.
    Rotgerber beschloss, dass er den Mann nun lange genug auf die Folter gespannt hatte. Er grinste. »Ich war am vergangenen Sonntag in einem Gottesdienst in der Spitalkapelle. Das, was der Priester dort gepredigt hat, hat mich ziemlich nachdenklich gemacht.« Er rümpfte die Nase, dann senkte er sie wieder in seinen Becher und trank ihn biszur Neige aus. Als er ihn absetzte, fühlte sich die Haut an seinem Hals heiß an. Er registrierte es, ohne jedoch weiter darüber nachzudenken. Er wusste, dass er ein Choleriker war, dass in seinem Körper das Element Feuer überwog und auch die gelbe Galle. Es

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