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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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schlechten Eindruck, wenn der Spitalmeister von Heilig-Geist so früh am Tage betrunken durch die Stadt torkelte.
    Also bog Rotgerber von der größeren Gasse nach links ab, bis er in die engeren, verwinkelten Gegenden des Elisabethviertels kam. Ein Kind kam ihm entgegen, das mit einem zerzausten Hund spielte, und mehrere Bürger, die offenbar allesamt sehr wichtigen Geschäften nachzugehen hatten. Keiner von ihnen schenkte Rotgerber mehr als einen Blick.
    Plötzlich jedoch grub sich ein heißer Schmerz mit solcher Kraft in seinen Magen, dass Rotgerber unvermittelt stehen blieb. Ihm wurde so übel, dass er förmlich spürte, wie ihm das Frühstück in der Kehle aufstieg. »Dieser elende Wirt!«, gelang es ihm noch zu keuchen. Dann stürzte er in eine enge, schmale Gasse.
    Er übergab sich schwallartig gegen eine Hauswand. Sein Magen fühlte sich an, als stünde er in Flammen, sein Gaumen brannte ebenfalls, und wieder und wieder würgte er, bis die Kräfte ihn verließen, er in die Knie brach und schließlich nichts mehr kam.
    Eine ältliche Frau humpelte an ihm vorbei. Sie hatte sich mit der Rechten auf einen knorrigen Stock gestützt, der ihr Halt bot, und als Rotgerber leise fluchte, schaute sie ihm kurz mitten ins Gesicht. Sie hatte sehr dunkle Augen, bei denen man die Grenze zwischen Pupille und Iris nicht erkennen konnte. Rotgerber fühlte sich wie in zwei tiefe, pechschwarze Löcher gezogen.
    »Sieh zu, dass du weiterkommst!«, herrschte er die Alte an. »Hier gibt es nichts zu sehen!« Und er war froh, als sie nickte und sich dann mit einem leisen Murmeln trollte. Eine Gänsehaut war auf seinen Armen erschienen, und er schüttelte den Kopf über sich. Seit wann war er ein Hasenfuß? Es war nur eine alte, hässliche Frau gewesen, kein Grund, sich Sorgen zu machen.
    Seine Magenschmerzen und auch die Übelkeit schienen sich schon ein wenig gebessert zu haben, doch als er aufstehen wollte, zittertenseine Knie so sehr, dass er lieber noch einen Moment knien blieb. Mit dem Ärmel wischte er sich über Mund und Kinn. Er hatte einen ekelhaft säuerlichen Geschmack im Mund. Erneut fluchend spuckte er aus. Er holte tief Luft, dann stützte er sich an der Wand ab. Er wollte gerade aufstehen, als er hinter sich ein Geräusch vernahm.
    »Wer …?«, setzte er an. Er hatte den Kopf halb über die Schulter gedreht, als ihm ein greller, peinigender Schmerz in die Kehle fuhr. Der Rest seiner Worte entwich ihm als feuchtes Gurgeln.
    Seine Hand zuckte hoch, ertastete klebrige, warme Flüssigkeit, und kurz dachte Rotgerber, er habe sich mit seinem eigenen Erbrochenen besudelt. Er wollte Luft holen, aber es ging nicht. Ein seltsam pfeifendes Geräusch drang aus seinem Hals, und dann erst begriff sein Verstand, was geschehen war.
    Er schwankte, wollte sich umdrehen, wollte sehen, wer ihm das angetan hatte. Jemand packte ihn von hinten, eine Stimme war ganz dicht an seinem Ohr.
    »Wenn sie vor Gier brennen, will ich ihnen ein Mahl zurichten«, sagte sie. Rotgerber versuchte, nach dem Arm zu greifen, der ihn festhielt. Das Leben rann jetzt mit rasender Geschwindigkeit aus ihm heraus, das konnte er fühlen. Schon zogen sich Schatten am Rande seines Gesichtsfeldes zusammen. Die Stimme sprach weiter, ruhig und kalt: »Und will sie trunken machen, dass sie matt werden und zum ewigen Schlaf einschlafen, von dem sie nimmermehr aufwachen sollen, spricht der Herr.« Rotgerber krallte sich in den Arm, doch er hatte kaum noch Kraft. Wieder versuchte er einzuatmen, wieder gelang es ihm nicht. Rote Feuerräder explodierten vor seinen Augen. Sein Körper schwankte. Noch hielt ihn sein Mörder, und er konnte dessen Atem an seinem Ohr spüren. »Ich will sie hinabführen wie Lämmer zur Schlachtbank.« Der Arm zog sich zurück, der Boden stürzte auf ihn zu. Jemand beugte sich über ihn, aber er konnte bereits nicht mehr erkennen, wer es war. Ein Mann? Die Stimme kam ihm vertraut vor, doch die Nebel in seinem Geist verdichteten sich jetzt, und er wusste, dass er starb. Seine Hand tastete Halt suchend durch die Luft, aber da war nichts. Rasend schnell stürzte er in die Dunkelheit hinein, und die Stimme hallte in ihr wider. »Hättest du Katharina in Ruhe gelassen …«, hörte er noch. Dann war es vorbei.

7. Kapitel
    »Guten Morgen, Bertha!«
    Albert, der junge Mann, der die große Küche des Heilig-Geist-Spitals betrat, wirkte aufgekratzt und fröhlich. Seine langen Gliedmaßen schlenkerten durch die Luft, während er näher trat und dabei in

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