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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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einem fort plapperte. »Stell dir vor: Heute kommt der neue Priester, den sie uns für die Kapelle schicken. Und Herr Rotgerber hat mich gebeten, ihm entgegenzureiten! Ich darf …«
    Bertha hob eine fleischige Hand und brachte ihn damit zum Schweigen. »Weiß ich alles längst!« Sie grinste breit. Ihr Rücken schmerzte, aber daran war sie gewöhnt. Als Köchin eines Spitals von dieser Größe hatte sie eine Menge Aufgaben und Pflichten, und sie genoss es, wie unentbehrlich sie war. Was kümmerte einen da schon ein kleines Reißen in den Knochen ab und an? Sie wusste, der Herrgott würde ihr ihre Dienste an den Armen und Kranken dereinst im Himmel hundertfach vergelten.
    Mit einer energischen Geste schob sie die Ärmel ihres Kleides bis halb zu den Ellenbogen hoch. Sie war dicker geworden, dachte sie bei sich. Neulich noch waren die gekräuselten Bündchen fast eine Handbreit weiter hinaufgerutscht.
    »Woher weißt du …?« Enttäuscht darüber, dass seine Neuigkeit offenbar keine war, zog Albert einen Flunsch. »Ach, egal! Der Spitalmeister hat mir gesagt, dass ich dich nach etwas zu essen fragen soll …«
    Bertha runzelte missmutig die Stirn, doch bevor sie auch nur ein Wort darüber verlieren konnte, dass er ein Gierschlund war und dass die Mengen, die er verputzen konnte, an Völlerei grenzten, warf er lachend den Kopf in den Nacken.
    »Doch nicht für mich!«, rief er aus. »Für den neuen Priester!« Er arbeitete noch nicht lange an Heilig-Geist. Die Spitalmeisterin hatte ihn erst vor ein paar Wochen als ihren Gehilfen eingestellt, aber er schien ein helles Köpfchen zu sein. Die meisten Menschen im Spital– die Pfründnerinnen vor allem – mochten ihn, und wenn Bertha ehrlich war, dann mochte sie ihn auch. Wenn sein Gezappel sie auch hin und wieder schier in den Irrsinn trieb.
    »Steh still!«, herrschte sie ihn an. Er gehorchte, jedoch nur für zwei, drei Herzschläge, dann schienen sich seine Hände schon wieder selbständig zu machen.
    »Der Spitalmeister hat gesagt, wir wollen dem Neuen gleich demonstrieren, dass wir die Regeln der Gastfreundschaft …«
    Diesmal brachte Bertha ihn mit einer leichten Ohrfeige zum Schweigen. »Ich habe gesagt, du sollst still sein! Ich weiß, was sich gehört, du musst es mir nicht eigens erklären!« Natürlich wusste sie es. Es wäre ja auch noch schöner, wenn ihr ein Jungspund wie dieser hier erklären musste, was sich gehörte, wenn hoher Besuch kam. Hoher kirchlicher Besuch, korrigierte sie sich im Stillen. Wie dem Kaiser musste ihm jemand entgegenreiten und ihn vor den Toren der Stadt in Empfang nehmen. So war es Brauch, und Rotgerber war ein kluger Mann. Dass er allerdings ausgerechnet Albert, einen einfachen Spitalknecht, dafür ausgesucht hatte, diesen Dienst an dem neuen Priester zu versehen, ließ hingegen vielleicht darauf schließen, dass ihm dieser Brauch doch nicht allzu wichtig war.
    Kopfschüttelnd betrachtete Bertha den Jungen. »Sollst du allein reiten?«
    Albert schüttelte den Kopf. »Ich soll Gunther und Nikolaus mitnehmen.«
    Zwei der Armen Scholaren und einen Knecht. Der neue Priester würde gleich von Anfang an wissen, wie es um seinen Rang im Spital bestellt war. Ein wenig besorgt rieb Bertha sich das schmerzende Kreuz.
    »Du sollst das beste Essen rausgeben, das du hast«, teilte Albert der Köchin mit. »Hat Rotgerber gesagt.«
    Ihr Blick fiel auf einen Teller mit einer Fleischpastete, der auf dem Herdrand stand. Mit dem Kinn wies sie darauf. »Die kannst du mitnehmen.«
    Albert runzelte nachdenklich die Stirn. »Fleischpastete? Heute ist Freitag!«
    Bertha zuckte die Achseln. »Den Spitalmeister kümmert’s nicht. Die Pastete ist von seinem Frühstück eben übriggeblieben. Wäre zuschade, sie wegzuwerfen, oder? Ich habe sie gestern Abend ganz frisch zubereitet.« Berthas Blick wanderte durch die Küche. Auf dem Herd kochte ein kleiner Kessel mit Hafergrütze vor sich hin, dem Essen, das die armen Pfründner gewöhnlich bekamen. Sonst gab es nichts, was sie einem Kirchenmann wie dem neuen Priester guten Gewissens hätte anbieten können, einerlei, was der Spitalmeister von ihm hielt. Sie trat an den Herd, griff nach einem sauberen Leinentuch und schlug die Pastete darin ein. »Musst dem Neuen ja nicht sagen, dass Fleisch drin ist!« Sie reichte Albert das Bündel und gab ihm noch einen Krug mit gutem Wein dazu. Ja, das war ein würdiges Begrüßungsessen für einen Priester, dachte sie zufrieden. Freitag hin oder her. Vielleicht würde es

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