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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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verbrannt?«
    »Zweihundert.« Die Zahl entfuhr ihm mit einem gewissen Stolz. »In meinem Buch …«
    Dietrichs Augen quollen hervor. »Zweihundert?«
    Vor Richards geistigem Auge loderten zweihundert Feuer, zweihundert gemarterte Frauen, die in den Flammen brannten und ihre Qualen gen Himmel brüllten. Kurz schloss er die Augen, denn eine jede von ihnen hatte Katharinas Gesicht.
    »So wie Ihr redet«, warf Randolf ein, »könnte man meinen, Ihr genießt es, wie die armen Frauen gequält werden.«
    Richard nickte zustimmend und schaute dem Mönch ins Gesicht, um zu ergründen, was er bei dieser Unterstellung empfand.
    Doch der zuckte nur die Achseln. »Es gibt Dinge, die müssen getan werden«, sagte er ruhig.
    Richard zerbiss einen düsteren Fluch in winzig kleine Splitter und schluckte sie hinunter, während der Mönch seinen grausamen Monolog fortsetzte. Richard hatte erwartet, dass es nicht mehr schlimmerwerden konnte, aber er hatte sich getäuscht. Das, was er, Dietrich, Randolf und die anderen Spielleute sich nun anhören mussten, war bestenfalls dazu geeignet, ihm den Magen umzudrehen und die Wut rot hinter seinen Lidern leuchten zu lassen.
    Als am Horizont endlich die Umrisse der Nürnberger Burg auftauchten, war Richard drauf und dran, den Kerl in der Mönchskutte neben sich zu packen und ihm die dürre Gurgel umzudrehen.
    Er schnalzte mit der Zunge und tätschelte seinem Pferd den Hals. Ein halbes Vermögen hätte er dafür gegeben, wenn er jetzt einfach hätte aufsteigen und in einen lockeren Trab fallen können, um den anderen zu entkommen. »Glaubt Ihr etwa nicht an die Existenz von Hexen?«, fragte Kramer ihn. »In meinem Buch habe ich …«
    »Haltet endlich das Maul!«, schnauzte Richard ihn an.
    Kramers Augen weiteten sich angesichts seines rüden Tons, doch er kam nicht dazu, etwas zu erwidern, denn vor ihnen tauchte eine Gabelung auf, die mit einem Steinkreuz markiert war. Das Große Nürnberger Stadtwappen, der Adler mit einem jugendlichen Königshaupt darauf, zeigte an, welcher Weg einzuschlagen und dass es bis zur Stadtmauer nicht mehr weit war.
    An dem Kreuz lehnte ein junger Mann und blickte ihnen entgegen, während zwei weitere es sich auf der Wiese davor gemütlich gemacht hatten. Als sie Richard und den Mönch kommen hörten, wandten die beiden die Köpfe, und ein freundliches Lächeln glitt über das Gesicht des einen von ihnen. Mit einem Satz war er auf den Beinen.
    »Bruder Andreas Schober?«, fragte er. Seine Arme bewegten sich unkontrolliert bei jeder Silbe.
    Heinrich Kramer hielt an. »Ich fürchte nein.« Er trat vor den jungen Mann hin. »Ihr seid von Heilig-Geist in Nürnberg, nicht wahr?«
    Der junge Mann neigte bestätigend den Kopf. »Mein Name ist Albert. Herr Rotgerber, der Spitalmeister, schickt mich und meine Gefährten, Bruder Andreas willkommen zu heißen. Wir warten schon seit Stunden. Es war vereinbart, dass wir uns am vorletzten Wegkreuz treffen sollen …«
    »Nun!« Ein Lächeln glitt über Kramers Gesicht, das zugleich mitfühlend und traurig aussah. Auf einmal konnte Richard in dem Mönch den Seelsorger erkennen, der er eigentlich hätte sein sollen. »Ich fürchte, Bruder Andreas wird nicht kommen.« Er schob eine Hand inseinen Beutel und zog ein klein zusammengefaltetes Stück Pergament hervor, das er Albert reichte. »Mein Name ist Dr. Heinrich Kramer. Ich kam mit Bruder Andreas aus Augsburg, doch es gab ein Unglück. Ein Blitz schlug in einen Stall ein, in dem wir Zuflucht gesucht hatten. Ich habe versucht, ihn zu retten, aber es war vergeblich.« Er deutete auf die Haare an seiner Schläfe, und Richard begriff, warum sie so seltsam gekräuselt waren. Sie waren im Feuer angesengt worden. »Das Letzte, worum Bruder Andreas mich bitten konnte, bevor er seinen schweren Verbrennungen erlag, war, herzukommen und Euch von dem Unglück zu unterrichten.« Er deutete auf das Pergament in Alberts Händen. »Als Zeichen meiner Legitimation gab er mir das Sendschreiben, das sein Provinzial für den Leiter Eures Spitals verfasst hat.«
    Albert faltete das Schreiben auseinander, las die wenigen Zeilen, die daraufstanden. Dann schluckte er erneut. Und nickte. »Ich verstehe.« Er winkte seine beiden Gefährten nach vorn. Der eine von ihnen, der wie Albert selbst im Gras gehockt hatte, erhob sich und trat näher. Der andere hingegen, der noch immer an das Kreuz gelehnt dastand, rührte sich nicht.
    »Nikolaus!«, rügte Albert ihn. »Du bist unhöflich! Hol das Essen heraus,

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