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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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schwer Luft.
    Kramer nickte. Dann wies er auf das Tischtuch und nötigte Richard, sich zu setzen.
    Nürnbergs Refmarkt war Teil des Großen Marktes vor der Frauenkirche und bestand aus mehreren schmalen Gängen zwischen hölzernen Hürden, auf denen die Marktfrauen ihre mitgebrachten Kiepen abstellen und so die darin befindliche Ware feilbieten konnten. Hier gab es neben Eiern auch Schmalz, Käse und Geflügel zu kaufen, außerdem Garne und Flachs – allesamt Waren, die die Händler auf dem Rücken transportieren konnten.
    Wie viel Zeit sie mit dem Streit zwischen dem Wanderprediger und der Straßenhure vergeudet hatte, wurde Katharina klar, als sie an einer Ecke der Tuchgasse Donatus traf, der seine Besorgung bereits erledigt hatte. Unter dem Arm trug er ein verschnürtes Bündel, in dem sich das benötigte Rindfleisch befand, und er war guter Dinge, denn er hatte den Preis erfolgreich nach unten gehandelt. In schillernden Worten erzählte er Katharina von seinem Gefecht mit dem Fleischer.Katharina hörte ihm zu, lachte an den passenden Stellen und vermied es dabei, einen Blick auf das mehrstöckige Haus zu werfen, das ungefähr in der Mitte der Gasse lag. Früher hatte Richard hier gewohnt.
    Katharina und Donatus erreichten den Markt von Süden her, gingen an einigen Ständen vorbei, auf denen die Betreiber gerade frischen Fisch und Krebse auslegten, und bogen dann ab in die schmaleren Gänge des Refmarktes. Gertrud, die Witwe eines Tagelöhners, die mit dem Verkauf von Eiern versuchte, sich und ihr Kind über Wasser zu halten, war tatsächlich schon da, genau wie Katharina es sich erhofft hatte.
    Katharina blieb in einigem Abstand stehen und holte tief Luft. Das hier fiel ihr nicht leicht, aber sie wusste, es war notwendig, das nun folgende Gespräch zu führen. Wenn sie mit ihrer Vermutung recht hatte, wenn Gertruds Eier wirklich vergiftet waren, dann war es ihre Pflicht, die Frau zu warnen.
    Donatus warf ihr einen fragenden Blick zu, als er ihr Zögern bemerkte, doch sie achtete nicht weiter auf ihn, sondern fasste sich ein Herz und schritt auf Gertrud zu.
    »Gott zum Gruße!«, sagte die Frau und grinste Katharina breit an. Ihr fehlten zwei Zähne im Oberkiefer, und die schwarzen Lücken ließen sie älter aussehen, als sie tatsächlich war. Wie immer, wenn sie hier auf dem Markt ihren Stand aufgebaut hatte, hing ihr ein kleines, ziemlich schmutziges Mädchen am Rockzipfel, lutschte am Daumen und starrte alle Näherkommenden misstrauisch an.
    Katharina erwiderte den Gruß.
    »Was ist Euch?« Gertrud runzelte die Stirn. Sie schien zu spüren, dass Ungemach im Anzug war.
    »Ich fürchte, ich muss deine letzte Lieferung beanstanden«, begann Katharina. Es war nicht das erste Mal, dass sie in Streit mit der Frau geriet, aber es war das erste Mal, dass es dabei um eine mangelhafte Lieferung ging.
    Gertrud stemmte die Arme in die Hüften. Dass sie dabei mit dem Ellenbogen gegen den Kopf ihres Kindes stieß und es einen Schritt rückwärts taumelte, schien sie nicht einmal zu bemerken. »Eine Beanstandung?« Sie hatte eine sehr tiefe Stimme, bei der Katharina sich immer fragte, wie sie in einem so schmächtigen Brustkorb Platz finden konnte.
    Katharina nickte. »Die letzten Eier, die du geliefert hast, waren schlecht.« Es ist nur eine Beanstandung, sagte sie zu sich selbst. Du hast schon ganz andere Dinge überlebt . Aber dennoch fühlte sie sich überaus unwohl. Sie wusste, was kommen würde, und sie irrte sich nicht.
    »Unmöglich!«, stieß Gertrud unwirsch hervor. »Ich …«
    Katharina hob die Hand, um die Bäuerin am Weitersprechen zu hindern. »Lass mich bitte ausreden! Eine meiner Patientinnen liegt darnieder, seitdem sie die Eierspeise gegessen hat, die unsere Köchin aus deinen Eiern zubereitet hat. Du solltest das wissen, damit es nicht noch anderen deiner Kunden so ergeht.«
    Gertruds Augenbrauen zogen sich zusammen und mit ihnen ihr gesamtes Gesicht, so dass es aussah, als habe sie einen Schluck Essig genommen. »Woher wisst Ihr, dass es an meinen Eiern lag?« Noch immer hatte sie die Arme in die Seiten gestützt. Das Kind hielt jetzt respektvollen Abstand von ihren Ellenbogen.
    »Ich weiß es.« Katharina unterdrückte ein Seufzen. Alles, was sie wollte, war, die Frau davor zu warnen, noch weitere schlechte Eier zu verkaufen. Warum nur fühlte sie sich dabei so selbstgerecht? »Brunhild hat zwei Tagen vor ihrer Erkrankung nichts weiter gegessen als die weiche Eierspeise, die meine Köchin ihr

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