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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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traumlosen Schlaf wiegte.
    So wie Richard früher …
    »Bitte mich, zu bleiben«, hatte er gesagt, und sie hatte geschwiegen. Bei der Erinnerung daran wühlte der Schmerz in ihrem Unterleib scharf und grell. Sie krümmte sich. Warum nur hatte sie Richard nicht gebeten, zu bleiben? Was war es, das sie davon abhielt, ihn in ihr Leben zu lassen, ganz und gar, wie sie es im Grunde ihres Herzens so sehr ersehnte?
    Sie hatte geschwiegen.
    Und seitdem träumte sie von ihm.
    Sie schloss die Augen erneut, rief sich seine Gestalt ins Gedächtnis, seine langen, welligen Haare, die braunen Augen mit dem immer etwas traurigen Ausdruck, seine Hände. Auf ihrem Schenkel. Seine Lippen auf ihrer Haut.
    Ihre Kehle zog sich zusammen, und sie konnte nichts dagegen tun. Sie riss die Augen wieder auf, aber sie sah nicht die Gasse vor ihrem Haus und die Fassaden der Nachbarn auf der anderen Straßenseite. Sie sah noch immer Richards Züge, seinen rötlichen Bart, das leichte Lächeln, das seine Lippen umspielte. Und dann …
    Wie von einem Blitzschlag erhellt, war da ein anderes Gesicht. Entblößte Zähne. Eisblaue Augen.
    Sie glaubte, ein Keuchen zu hören, so dicht an ihrem Ohr, dass sie herumfuhr. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen, doch da war niemand. Sie war allein in ihrer Kammer.
    Mit der einen Hand klammerte sie sich an der Fensterbank fest, um nicht zu taumeln, die andere legte sie auf ihr rasendes Herz, doch es wollte sich einfach nicht beruhigen.
    In einem kurzen, schmerzhaften Krampf zog sich ihr Unterleib erneut zusammen.
    »Katharina!«
    Die dunkle Stimme drang nicht sofort bis zu ihrem Verstand durch. Erst als Arnulf unten in der Gasse ein zweites Mal ihren Namen rief, schaffte sie es, sich aus der Umklammerung ihrer melancholia zu reißen und zu ihm hinabzuschauen.
    »Was willst du?«, rief sie.
    »Mit dir reden. Lass mich rein!« Ohne eine Antwort abzuwarten, überquerte er die Gasse und kam zur Haustür.
    Katharina atmete einmal tief durch. Sie war in ihrer Kleidung eingeschlafen, so dass sie sich jetzt nichts überziehen musste. Als sie den Flur vor ihrer Kammer betrat, hörte sie, wie Donatus in Nannes Kammer leise sprach. Von Tobias war weder etwas zu sehen noch zu hören. Kurz spielte Katharina mit dem Gedanken, zu prüfen, ob er noch immer den Stuhl unter die Klinke gestellt hatte, aber dann besann sie sich eines Besseren.
    Wenn Arnulf sie nach Einbruch der Dunkelheit aufsuchte, hatte er seine Gründe dafür. Sie eilte die Treppe hinunter und sperrte auf. Der Nachtrabe schlüpfte ins Haus, kaum dass sie die Tür mehr als einen Spaltbreit geöffnet hatte.
    »Danke«, sagte er. Er war in Schwarz gekleidet wie immer, aber im Gegensatz zu ihrem Treffen am Morgen hatte er seine Haare jetzt aus dem Zopf gelöst. Als Nachtrabe besaß er keine Bürgerrechte, was bedeutete, dass er öffentlich kein Schwert tragen durfte. Nicht, dass er sich gewöhnlich darum scherte, doch heute schien er es zu tun. Katharinas Blick fiel auf den schlanken Dolch an seinem Gürtel.
    »Was ist los?«, fragte sie. Klang ihre Stimme belegt?
    Im Licht der Lampen, die hier unten ebenso wie oben in den Kammern möglichst die ganze Nacht hindurch brannten, musterte Arnulf sie. Sie ahnte, dass er ihr ihre Verwirrung ansah, denn ein finsterer Ausdruck erschien auf seiner Miene.
    »Es geht um diesen Bader«, sagte er. Er stand sehr aufrecht da, lang aufgeschossen, ehrfurchtgebietend, und schaute von oben auf sie herab.
    Katharina runzelte die Stirn. »Was ist mit ihm?«
    »Du weißt schon, was die Spatzen von den Dächern pfeifen?«
    Sie nickte. »Du magst mich dafür halten, Arnulf, aber ich bin nicht blauäugig.«
    Ein düsteres Lächeln zog seinen Mundwinkel auf einer Seite nach oben. »Das weiß ich.«
    »Er hat mir selbst gesagt, dass er …«, sie zögerte, »… Knaben liebt.«
    »Knaben liebt?« Jetzt lachte Arnulf. »Eine harmlose Umschreibung für die Todsünde der Sodomie! Weißt du auch, dass das der Grund war, warum sie ihn aus Heilig-Geist rausgeworfen haben?«
    Sie wich einen Schritt zurück. Auf einmal schien ihr zu wenig Luft in dem schmalen Hausflur zu sein. »Ich habe es mir gedacht«, murmelte sie.
    »Und trotzdem gibst du ihm Obdach und Arbeit!« Er sagte es ohne Gefühl in der Stimme, aber trotzdem fühlte sie sich gemaßregelt.
    Es ärgerte sie. »Was kümmert es dich?«
    Er zuckte die Achseln, und das brachte sie noch mehr auf.
    »Es ist mein Haus«, zischte sie ihn an, und in dem Moment, in dem die Worte heraus waren, wusste

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