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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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schloss die Augen. Nur für einen Moment, dachte sie, dann würde sie wieder aufstehen und sich kümmern …
    »Katharina!«
    Als sie die Augen öffnete, stand Richard vor ihr.
    »Wie …«, wollte sie fragen, doch er lächelte und streckte die Hand aus, um ihr die Fingerspitzen auf die Lippen zu legen.
    »Scht!«, machte er.
    Seine Berührung sandte ein wohliges Kribbeln durch ihren Körper. »Ich dachte, du bist in Italien«, flüsterte sie.
    Er antwortete nicht. Stattdessen kniete er vor dem Bett nieder. Federleicht berührte seine Hand sie am Knöchel. Seine Augen waren dunkel, die Pupillen sehr groß. Die langen, welligen Haare hatte er sich am Hinterkopf zu einem losen Zopf gebunden.
    »Du bist da!« Noch immer flüsterte Katharina.
    Ein Lächeln erschien auf seinen Lippen. »Das bin ich.« Langsam ließ er die Hand an ihrem Bein nach oben wandern, zum Knie und weiter hinauf.
    Katharina biss sich auf die Lippe. Dann öffnete sie die Beine ein Stück. »Du bist da«, wiederholte sie.
    Er stand auf, ließ sich neben ihr auf dem Bett nieder, und während seine Hand noch ein wenig höher wanderte, fanden seine Lippen die ihren …
    Ein heftiger, krampfartiger Schmerz fuhr durch ihren Unterleib, und sie erwachte. Mit einem unterdrückten Stöhnen richtete sie sich auf, lauschte auf das schwere Pochen ihres Herzens. Ihr Innerstes war angefüllt mit der Erinnerung an Richards Liebkosungen, mit der brennenden Sehnsucht nach ihm und mit glühender Scham angesichts des unkeuschen Traumes.
    Sie blickte an sich hinab. Eilig schlug sie die Beine übereinander, und als das nicht ausreichte, um den Aufruhr in ihrem Leib zu unterdrücken, sprang sie auf, trat ans Fenster und riss es auf.
    Eine Weile stand sie einfach nur da und starrte in die Dunkelheit hinaus. Am Nachbarhaus entzündete ein Diener eine Fackel und steckte sie in einen eisernen Halter an der Fassade. Die Flammen zuckten in dem kalten Wind, der durch die Gasse wehte, und warfen scharf umrissene Schatten auf das Gesicht des schmächtigen Mannes. Er blieb einen Moment lang regungslos stehen. Fast kam es Katharina so vor, als lausche er in die Nacht hinaus. Dann, nach einigen Augenblicken, gab er sich einen Ruck und kehrte in die Wärme seines Hauses zurück.
    Die Fackel brannte unruhig, aber beständig vor sich hin.
    Katharina starrte in ihren Schein, bis ihre Augen anfingen zu tränen und alles verschwamm.
    Was war sie nur für ein selbstsüchtiges Weibsbild? Heute war in ihrem Haus eine Frau gestorben, eine Frau, die ihrer Obhut anvertraut gewesen war und der sie nicht hatte helfen können. Gleichzeitig saß im Zimmer nebenan ein junger Mann, dem ganz offensichtlich Furchtbares widerfahren war. Aber statt sich um ihn zu kümmern, statt auch nur angemessene Trauer angesichts von Brunhilds Tod zu empfinden, aalte sie sich in unkeuschen Träumen. Und schlimmer noch: Sie ließ es zu, dass auch jetzt noch die Sehnsucht nach Richard alle anderen Gefühle in ihrem Herzen überwog.
    Katharina bedeckte Mund und Nase mit beiden Händen, dann nahm sie sie wieder fort, betrachtete sie, die Schwielen, die sie vom Medizinherstellen hatte, die kurzgeschnittenen Fingernägel, die Knöchel. Langsam hob sie die Arme hinter den Kopf und verschränkte die Finger dort. Irgendwo im Haus ertönte ein entsetztes Heulen, hielt mehrere Lidschläge lang an und brach dann abrupt ab.
    Katharina schloss die Augen.
    Die alte Nanne, ihre älteste Patientin, war aufgewacht und wusste wieder einmal nicht, wo sie sich befand. In manchen Nächten ging das mehrmals so. Katharina hatte Mittel und Wege gefunden, der verwirrten alten Frau Trost zu spenden, indem sie sie festhielt und so lange wiegte, bis sie sich beruhigte. Doch jetzt vermochte sie sich kaum zu rühren. Sie wusste, dass sie zu Nanne hätte gehen müssen, aber sie konnte es einfach nicht. Ihr Unterleib krampfte sich schmerzhaft zusammen. Sie löste ihre Hände voneinander, aber statt sie sinken zu lassen, legte sie sie um ihre eigene Kehle.
    Schritte erklangen auf dem Flur. Donatus.
    »Ich kümmere mich um sie«, sagte er vor Katharinas Tür, dann ging er weiter, zu Nannes Kammer.
    Katharina senkte die Arme. Sie nickte schweigend. Ihre Lider brannten, aber es kamen keine Tränen. Sie hatte sich geschworen, die Frauen in ihrem Haus vor ihren ureigensten Dämonen zu beschützen, und jetzt?
    Katharina lachte bitter auf.
    Eine schöne Beschützerin war sie – eine, die dringend einmal selbst jemanden brauchte, der sie hielt und in einen

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