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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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kurzen Moment nicht sehen konnte, was für eine Miene er machte. Als er wieder aufschaute, war sein Blick undurchdringlich. »Du tust es, weil Angst …«, er zeigte auf ihr Herz, »… das Einzige ist, was du noch fühlen kannst, ohne daran irre zu werden.«
    Sie gab sich geschlagen. »Ja«, bestätigte sie. »Angst ist besser als diese Sehnsucht nach …« Sie sprach den Namen nicht aus. Es war nicht nötig.
    »Die Sehnsucht …« Arnulf hielt inne, fuhr dann fort: »Du vermisst Richard, nicht wahr?«
    Ihn seinen Namen aussprechen zu hören schnitt ihr wie ein Dolch durchs Herz. »Mehr, als ich sagen kann.«
    Er nickte ernst. »Ich weiß. Aber es ist gefährlich, Katharina, die Sehnsucht zu verdrängen, indem du sie gegen Angst eintauschst. Du wirst in Gefahr geraten, wenn du dich nicht an die Regeln hältst! Denk daran, was vor zwei Jahren beinahe passiert wäre. Noch zerreißen die Leute sich nur das Maul über dich. Aber ich weiß nicht, wie lange noch. Und vor allem weiß ich nicht, ob ich dir dann noch helfen kann, wenn erst der Stadtrat ein Auge auf dich geworfen hat.«
    »Ich tue nichts Ungesetzliches!«, murmelte sie.
    »Nein. Das tust du nicht. Aber du eckst an. Dass Rotgerber dich aufs Korn genommen hat, sollte dir zeigen, wie gefährlich es ist, gegen den Strom zu schwimmen. Du hast bereits einmal im Lochgefängnis gesessen. Und der Vorwurf der Sodomie ist brandgefährlich. Ich …« Er brach ab, und sie fragte sich, was er noch hatte sagen wollen.
    Abwartend schaute sie ihn an.
    »Himmel, ich weiß nicht, was ich Richard sagen soll, wenn sie dich …« Wieder verstummte er. Mit der flachen Hand strich er sich die Haare aus dem Gesicht, doch sie fielen sofort wieder zurück, beschatteten seine grünen Augen.
    »Stehst du mit ihm … in Verbindung?«
    Bevor der winzige Funke Hoffnung, der in ihr aufgeflammt war, hochlodern konnte, schüttelte Arnulf den Kopf. »Nein.«
    »Verstehe.« Sie senkte den Blick. »Ich danke dir für deine Ehrlichkeit.«
    »Was wäre, wenn er wiederkäme? Wenn er dich noch mal fragen würde, ob du seine Frau werden willst?«
    Ja, was würde sie dann tun? Himmel, sie wusste es einfach nicht! Ein Teil von ihr sehnte sich genau danach, und jede Faser ihres Körpers schmerzte, wenn sie sich auch nur gestattete, dieser Sehnsucht nachzuspüren. Doch ein anderer Teil, einer, den sie selbst nicht verstand, fürchtete genau diese Frage so sehr, dass sich ihr Leib schon wieder krampfhaft zusammenzog. Sie legte die Hand auf ihren Bauch. Schwieg.
    Verstehend seufzte Arnulf. »Pass einfach auf dich auf, ja?«
    Sie nickte. »Ich werde Donatus nicht rauswerfen.« Von unten herauf sah sie ihn an.
    Er grinste. »Ich weiß.«
    Plötzlich musste sie schmunzeln. Es war eine völlig unpassende Reaktion, das wusste sie. Und es fühlte sich seltsam an, so als seien ihre Züge eingefroren.
    »Was?«, fragte er.
    »Nichts. Es ist nur so sonderbar, dass ausgerechnet du dir Sorgen um meinen Ruf machst.«
    Er ging über ihre Anspielung auf sein Dasein als Nachtrabe hinweg. »Nicht um deinen Ruf. Um dein Leben.«
    Sie lauschte in sich hinein. Hatte er recht? Stimmte es, dass sie sich in Gefahr begab, um überhaupt etwas zu fühlen? Sie kam zu keinem Schluss, denn nun stieß Arnulf sich von dem Treppengeländer ab und wandte sich zum Gehen.
    An der Tür hielt er inne, und es sah aus, als wolle er noch etwas Wichtiges sagen. Dann jedoch entschied er sich anders. »Gute Nacht«, wünschte er.
    Sie öffnete ihm die Tür. »Gute Nacht. Und: Arnulf?«
    Er wandte ihr den Kopf zu. »Ja?«
    »Ich danke dir.«
    Arnulfs Gedanken kreisten noch um Katharina und das Gespräch von eben, als er längst durch die Gassen nahe dem Spittlertor ging. Wieähnlich diese Frau Richard in ihren Zweifeln und Ängsten war! Man musste nachgerade Angst haben, dass sie in tausend Scherben zersprang, so durchscheinend wirkte sie inzwischen.
    Wenn er nur gewusst hätte, wie er ihr helfen konnte! Er stieß einen leisen Fluch aus und bog in eine schmale Seitengasse ein. Seine Schritte waren auf dem ungepflasterten Boden kaum zu hören. Wie es sich bei einem Nachtraben gehörte, gingen die meisten Menschen, die ihm begegneten, ihm vorsorglich aus dem Weg. Gewöhnlich empfand er ein finsteres Vergnügen daran, zu sehen, wie der Blick eines ehrbaren Bürgers auf ihn fiel, wie dann der Kopf gesenkt und die Straßenseite gewechselt wurde. Heute jedoch, nach dem unbefriedigend verlaufenen Gespräch mit Katharina, störte ihn dieses Verhalten eher,

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