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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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ungute Gefühl, das ihn plagte. Das Raubtier in seinem Revier … »Weißt du, wer das Opfer ist?«, erkundigte er sich.
    Der Hund hechelte weiter. Zwei dicke Speichelfäden hingen ihm von den Lefzen.
    Jonas nickte. »Der Spitalmeister von Heilig-Geist.«
    »Konrad Rotgerber?«, entfuhr es Arnulf.
    Jonas nickte erneut. »Wurde in einer Gasse entdeckt. Lag offenbar in seiner eigenen Kotze.« Er verzog das Gesicht. »Und in einer Menge Blut, sagt man.«
    Arnulf griff nach seinem Dolch, zog ihn und spielte damit herum, während er überlegte. Unbehagen hatte sich in seinen Eingeweiden zusammengeballt und verursachte einen haarfeinen Schmerz. Konrad Rotgerber, der Spitalmeister von Heilig-Geist! Der Mann, vor dem er selbst Katharina gewarnt hatte. Herr im Himmel!
    »Was tut der Stadtrat?«
    »Diesmal müssen sie etwas genauer nachforschen«, grinste Jonas. Der Gedanke schien ihm zu gefallen. »Sie haben Bürgermeister Silberschläger mit den Untersuchungen beauftragt.«
    Arnulfs Blick fiel auf einen Mann, der gegenüber dem Leiterkarren des Jongleurs eine Art Bauchladen auf zwei wackeligen Holzböcken aufgebaut hatte. Die Miene des Nachtraben verdüsterte sich. Er hatte den Mann noch nie zuvor hier gesehen, und er mochte es nicht, wenn Fremde sich so einfach in seinem Revier breitmachten.
    »Gut«, wandte er sich an Jonas. »Ich danke dir für die Auskunft. Halt Augen und Ohren offen, und sag mir Bescheid, wenn du was Neues hörst.« Er fixierte den Mann mit dem Bauchladen, doch bevor er zu ihm ging, griff er noch einmal nach Jonas’ Arm. »Und: Wenn du Bufo triffst, schick ihn zu mir in die Diele, ich habe einen Auftrag für ihn.«
    »Mach ich!« Jonas gab seinem Hund einen Klaps auf den Rücken. »Komm, Rubius. Gehen wir!« Damit verschwand er.
    Arnulf richtete seine Aufmerksamkeit jetzt vollends auf den Mann mit dem Bauchladen, einen rundlichen, eher kurz geratenen Kerl mit roten Wangen, der eine kleine Tonflasche in die Höhe hielt und sie anpries.
    »Ein Haarwässerchen, Alter?«, rief er einem der Umstehenden zu, dessen riesiger Schädel vollständig kahl war. »Du wirst sehen, es lässt deine Mannespracht wieder sprießen, dass es eine wahre Freude ist.«
    Der Kahlkopf starrte aus blitzenden Augen vor sich hin. Arnulf kannte ihn unter dem Namen Gregor, und er wusste, dass er weit über sechzig Lenze zählte. »Meine Mannespracht braucht deinen Hokuspokus nicht«, rief Gregor, und um ihn herum erhob sich Gelächter.
    Doch dem Händler schien der Spott nichts auszumachen. »Das vielleicht«, parierte er mit einem breiten Grinsen. »Aber frag doch mal die Holde an deiner Seite, ob sie es nicht vorziehen würde, ihre Finger in eine seidige Mähne zu krallen, wenn sie – du weißt schon!« Mit der rechten Hand machte er eine anzügliche Geste, um zu verdeutlichen, wovon er redete.
    Gregor war für einen Moment sprachlos, aber die Frau neben ihm, die keinen Tag jünger aussah als er selbst, winkte ab. »Vertane Liebesmüh!«, nuschelte sie. »Wenn du stattdessen eine Medizin hättest, die den Alten vom Schnarchen abhält, wär ich dir mehr als dankbar!« Und sie entblößte Kiefer, die mehr Lücken aufwiesen als Zähne.
    »Du schnarchst?« Harald, der Gaukler auf dem Karren, fing einen der Äpfel nach dem anderen auf. Listig griente er Gregor an. »Wie das, wo du doch so oft damit prahlst, was du die ganze Nacht über im Bett mit deiner Alten anfängst!«
    Wieder lachten alle Umstehenden, während der Händler begann, in den Schubladen zu kramen, die seitlich an seinem Bauchladen angebracht waren. »Natürlich hab ich …«
    Er verstummte, denn nun trat Arnulf an seinen Stand. Im ersten Moment glaubte er in dem Nachtraben einen neuen Kunden vor sich zu haben, doch dann fiel sein Blick in Arnulfs grüne Augen, und der Mund, den der Händler noch eben zu einem flotten Spruch geöffnet hatte, klappte wieder zu.
    »Gott zum Gruße«, sagte Arnulf mit ruhiger Stimme.
    Der Händler nickte hastig. »Di … Euch auch.« Gerade noch rechtzeitig hatte er sich besonnen und für eine ehrfürchtige Anrede entschieden.
    Arnulf unterdrückte ein zufriedenes Lächeln. »Ich hab Euch noch nie hier gesehn«, sagte er, noch immer ganz ruhig. »Wie is Euer Name?« Wie oft, wenn er nicht sofort eingeschätzt werden wollte, verfiel er in die Sprache der Gosse. Und als er registrierte, dass der Händler sich entspannte, wusste er, dass der einfältige Ausdruck, den er von einem Moment auf den anderen auf sein Gesicht zu zaubern vermochte,

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