Madonna
zu einigen hübschen Hexenprozessen überreden will. Ich habe gehört, dass er in Basel und Straßburg war und es dort auch versucht hat.«
»Das ist es nicht«, murmelte Mechthild. »Wir müssen ihn aufhalten!«
»Wozu? Der Stadtrat wird ihm schon den Kopf zurechtrücken und ihm klarmachen, dass man hier keinen Anlass für derlei Prozesse sieht.«
»Trotzdem!«, insistierte Mechthild.
Spindler zog die Nase kraus. »Was hast du bloß?«
Da schaute sie ihm ins Gesicht. Ihr Kinn zitterte, das konnte sie deutlich spüren. Ihr gesamter Körper schien in Flammen zu stehen. »Überall, wo er hinkommt, beginnt er mit einer einzelnen Frau«, sagte sie. »Und dann beginnt es sich auszuweiten …«
»Wie ich schon sagte, der Rat wird …«
»Nein!« Energisch fiel Mechthild ihm ins Wort. »Die Erste, die er ins Feuer schicken wird, wird Katharina sein.« Jetzt war es heraus. Die Befürchtung verlor jedoch nicht ein bisschen von ihrem Schrecken dadurch, dass sie sie ausgesprochen hatte.
Spindlers Augen weiteten sich. »Was?«
Sie nickte. »Er wird …«
»Ich habe dich schon verstanden! Aber warum?«
Da kehrten Mechthilds Gedanken in die Vergangenheit zurück, zu Dingen, die sie im hintersten Winkel ihres Gedächtnisses lange Zeit überaus erfolgreich vergraben hatte. Zu Dingen, die zu furchtbar waren, um sich länger als ein paar Augenblicke damit zu befassen, ohne darüber den Verstand zu verlieren. Sie schluckte schwer. »Heinrich Kramer«, flüsterte sie, »ist der Bruder von Burckhard.«
Ihre Worte hatten auf Spindler die Wirkung, die ein harter Hieb in die Magengrube gehabt hätte. Schlagartig sank er in sich zusammen. Kurz schloss er die Augen, öffnete sie wieder. Schnappte nach Luft. »Wie bitte?« Jetzt war es an ihm, zu flüstern.
Mechthild nickte nur.
Da wurde er blass.
»Ihr müsst Euch um Katharina kümmern«, sagte sie, und ihr Herz zog sich zusammen. »Passt auf, dass dieser Kerl sie nicht …«
Spindler straffte die Schultern. Sein Blick richtete sich über Mechthilds Kopf hinweg in unergründliche Fernen, und deutlich war zu sehen, dass die Gedanken hinter seiner Stirn angefangen hatten zu rasen. Dann, nach geraumer Weile, besann er sich darauf, wo er war. Er richtete den Blick auf Mechthild. »Ich kümmere mich darum«, sagte er leise.
»Und ich? Was soll ich tun?«
»Befolge Kramers Rat.«
Sie verstand nicht, was er meinte.
Er legte die Hand auf den Türriegel. »Bete!«, riet er ihr. »Wir können von nun an wahrscheinlich jedes bisschen göttliche Unterstützung brauchen.« Er zog die Tür auf, schlüpfte hindurch, zog sie hinter sich wieder zu. Im nächsten Moment hörte Mechthild ihn über den Flur davoneilen.
Eine Weile starrte sie auf die Wand. Dann legte sie den Riegel wieder vor. Jedes bisschen göttliche Unterstützung …
Bitter lachte sie auf.
Die Sonne hing dicht über dem Horizont, als Elfriede sich mit einem leisen Ächzen aufrichtete, um ihren schmerzenden Rücken zu strecken. Sie war eine der angestellten Dienstmägde von Heilig-Geist, und die Aufgabe, die die Spitalmeisterin ihr heute zugeteilt hatte, wares, Siegwurz zu ernten, die im hinteren Teil des Spitalgartens wuchs. Ein Händler in der Burgstraße hatte Bedarf an einer größeren Menge angemeldet, und da das Spital auf jede Einnahme angewiesen war, hatte Agnes Rotgerber den Auftrag gern angenommen.
Elfriedes Begeisterung jedoch hielt sich in Grenzen. Es war harte Arbeit, die Knollen aus dem Boden zu graben, sie anschließend zu säubern und mit ihrem Kraut zu Bündeln zusammenzuschnüren, die leicht transportiert werden konnten. Wie viel lieber hätte sie stattdessen heute in der Küche geholfen! Sie hatte gesehen, dass der neue Gehilfe, den der Koch eingestellt hatte, heute dort Dienst tat, und seit Elfriede den jungen Burschen mit den hübschen dunkelbraunen Augen zum ersten Mal gesehen hatte, war sie völlig vernarrt in ihn. Ja, sie hatte sogar des Nachts schon davon geträumt, mit ihm vor den Traualtar zu treten … Mit einem leisen Seufzen schob sie diesen Gedanken fort. Sebastian, so hieß der Junge, hatte ihr bisher keinen einzigen Blick geschenkt. Elfriede sah an sich hinab. Missmutig betrachtete sie ihre schmutzigen Hände mit den eingerissenen, schwarzen Fingernägeln. Sie war keine Schönheit, das wusste sie selbst. Sebastian konnte unter den hübschesten Dienstmädchen vermutlich frei wählen – und niemals im Leben fiele seine Wahl auf sie.
»Träumst du?« Ein Stoß gegen die Schulter riss sie
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