Madonna
aus ihren trübseligen Gedanken. Sie stolperte einen Schritt vorwärts und ließ die letzte Knolle fallen.
»Lass das!«, fuhr sie Annalisa an, die andere Dienstmagd, die mit ihr zusammen für die Ernte der Siegwurz eingeteilt worden war.
Annalisa grinste nur, und am liebsten hätte Elfriede ihr ins Gesicht geschlagen für den höhnischen Ausdruck in ihren Augen. Nicht nur, dass Annalisa viel schlanker war als sie selbst, Gott hatte ihr auch eine sahneweiße Haut geschenkt, eine niedliche Stupsnase und Wimpern dazu, die so lang und seidig waren wie die einer Kuh.
Jawohl! Einer Kuh.
Ein Kichern entwich Elfriede bei dem Vergleich mit einem der dummen, glotzäugigen Tiere, die hinten in den Ställen standen und dumpf vor sich hinkauten. Das gefiel ihr!
»Entschuldige!« Ein leises Räuspern erklang hinter ihr, und sie drehte sich um.
Auf einem der schmalen Weg zwischen den Beeten stand derMönch, den Dr. Spindler ihnen allen vorhin als Heinrich Kramer vorgestellt hatte. Elfriede hatte die anderen über den Mann tuscheln hören. Offenbar war er irgendeine Berühmtheit, der Verfasser eines Buches, von dem sie noch nie zuvor gehört hatte.
Ein berühmter Mann. Und er sprach sie an!
Neugierig sah sie dem Mann ins Gesicht. »Kann ich Euch irgendwie helfen?«
Annalisa nahm den Korb, in dem sie ihre Siegwurzknollen abgelegt hatten, und trug ihn zu dem kleinen Schuppen an der hinteren Gartenmauer. Elfriede kam es so vor, als wolle sie dem Mönch ausweichen, und ein wenig konnte sie sie verstehen. Jetzt, wo er so dicht vor ihr stand, fand sie den Kerl auch ein bisschen unheimlich.
Er lächelte jedoch freundlich. Er hob die Knolle vom Boden auf, die Elfriede eben hatte fallen lassen, und hielt sie in die Höhe.
»Was hat sie für eine Wirkung?«, fragte er. Er klang so, als würde er es wirklich wissen wollen.
Elfriede schluckte. »Unter einem Kettenhemd getragen, soll sie unbesiegbar machen.«
Ein düsterer Schatten huschte über Kramers Gesicht, verschwand aber sofort wieder. Noch immer lächelte er, doch nun sah es etwas verkrampft aus. »Wofür sind sie bestimmt?«, fragte er.
»Die Spitalmeisterin hat Anweisung gegeben, sie an einen Händler in der Sebalder Stadt zu verkaufen. Offenbar beliefert der Mann die Armee irgendeines Grafen.«
Kramer rieb die Siegwurz mit den Fingerspitzen sauber. Die Erde daran roch würzig. Dann warf er die Knolle fort, wischte sich die Hände ab. »Kannst du mir mit einer kleinen Auskunft helfen?«, fragte er.
Elfriede nickte zögerlich.
»In diesem Spital gibt es eine Pfründnerin namens Mechthild.«
»Die Augspurger-Witwe, ja!« Wieder nickte Elfriede, eifrig diesmal.
Kramer schenkte ihr ein weiteres Lächeln. Er hatte eigentlich ein schönes Lächeln, dachte Elfriede, nur seine Augen wirkten etwas zu kühl. »Genau die!«, meinte er. »Ich habe reden hören, dass sie eine Tochter hat.«
»Katharina Jacob, ja.« Elfriede rümpfte die Nase.
Kramer sah es. Erstaunt hob er die Augenbrauen. »Du sagst das, als seist du nicht besonders gut Freund mit ihr.«
Elfriede hatte den Mund schon halb geöffnet, um dem Mann einige Dinge über diese Katharina zu erzählen, aber dann machte sie ihn rasch wieder zu. Möglichst beiläufig zuckte sie die Achseln. Sie würde nicht so dumm sein, sich das Maul zu verbrennen. Sollte er doch selbst herausfinden, was diese Katharina für eine Dirne war!
»Kannst du mir sagen, wo ich diese Katharina finden kann?«
»Oh, sie hat ein … Haus an der Frauentormauer.« Elfriede unterdrückte ein höhnisches Schnauben.
Kramer runzelte die Stirn. »Ein Haus«, sagte er gedehnt.
»Sie nennen es das Fischerhaus, Ihr könnt es gar nicht verfehlen, wenn Ihr in der Gasse seid. Es hat geschnitzte Balken und ist ziemlich protzig.« Sie reckte die Nase in die Höhe, um ihm zu zeigen, wie sehr ihr jede Prunksucht zuwider war.
»Du siehst nicht so aus, als würdest du Katharina besonders schätzen«, versuchte er ein zweites Mal, sie zum Plaudern zu bewegen.
Sie schüttelte den Kopf. So leicht überlistete er sie nicht! Sie würde sich an das achte Gebot halten, das ihr vorschrieb, nicht schlecht über ihren Nächsten zu reden.
Kramer wartete geduldig, und da platzte es plötzlich doch noch aus ihr heraus: »Sie war schon einmal als Hexe angeklagt!«
Er wirkte überaus zufrieden über diese Worte. Noch einmal wischte er sich die Hände sauber. Dann nickte er Elfriede zu. »Ich danke dir für deine Hilfe«, sagte er.
Und er wandte sich ab.
11. Kapitel
Die
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