Madonna
Richhild war vor drei Monaten gestorben, und auch wenn es ihn einiges kostete, es zuzugeben: Er vermisste sie. Es war weniger die Wärme ihres Körpers in seinem Bett, die ihm fehlte. In dieser Hinsicht hatte er sich schon immer lieber an die schlanken, schüchternen Dienstmädchen gehalten, die seine Frau einzustellen pflegte. Nein, er vermisste Richhilds stille, duldsame Gegenwart, die Art, wie sie ihm zugehört hatte, ohne ihm allzu sehr zu widersprechen. Als sie noch gelebt hatte, hatte sie sein Haus mit etwas gefüllt, das er damals nie wahrgenommen hatte, das nun aber schmerzlich spürbar fehlte.
Er setzte sich auf.
Vielleicht war es an der Zeit, sich eine neue Frau zu suchen! Der Gedanke erschien ihm recht erwägenswert. Er würde sich bald damit näher befassen.
Jetzt war jedoch nicht der Zeitpunkt dafür, denn noch etwas anderes ging ihm im Kopf herum, beschäftigte ihn fast noch mehr als der brutale Mord an dem Spitalmeister und Richilds Tod.
Es war der Besuch dieses Predigermönches gewesen, der ihn heute Abend kurz nach Sonnenuntergang in seinem Kontor im Rathaus aufgesucht hatte.
Silberschläger hatte an seinem Pult gesessen und die Wandmalereien griechischer Götter betrachtet, mit denen er die Wände hatte verzieren lassen. Wie stets, wenn er sie ansah, verschaffte der Anblick der knapp gekleideten Athene mit ihren straffen Schenkeln und Brüsten ihm ein wohliges Gefühl im Leib.
Geistesabwesend rieb er sich zwischen den Beinen, als an seine Tür geklopft wurde und einer seiner Büttel, ein Mann namens Klaus Eberlein, den Kopf hereinstreckte. »Habt Ihr einen Moment Zeit?«, fragte er.
Silberschläger unterdrückte ein Seufzen. »Was gibt es denn?«
»Hier ist ein … Mann.«
Silberschläger war das Zögern nicht entgangen. »Und?«
Eberlein deutete mit dem Kopf auf den Gang zu seiner rechten Seite. »Ein Mönch, um genauer zu sein. Er sagt, er muss Euch dringend sprechen.«
Kurz überlegte Silberschläger. Mönche waren im Allgemeinen freundliche Gesellen, mit denen er gut umgehen konnte.
»Schickt ihn rein!«, befahl er.
Eberlein nickte. »Selbstverständlich.« Dann trat er zur Seite und machte einem Mann Platz, bei dessen Anblick Silberschläger ein weiteres Seufzen unterdrücken musste. Hatte er eben noch gedacht, er würde es mit einem friedfertigen Mann zu tun bekommen?
Der hagere ältliche Kerl mit den seltsam gekräuselten Haaren auf einer Seite seines Kopfes, der nun vor ihm stand und finster die freizügigen Wandmalereien betrachtete, schien alles andere als friedfertig zu sein. Ergeben starrte Silberschläger auf die schwarz-weiße Kutte des Mannes. Ein Predigermönch. Und mehr noch: Der Art nach zu urteilen, wie er selbstbewusst, ja fast ein bisschen überheblich den Raum betrat, war der Mann ein Inquisitor.
Silberschläger beschloss, gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
Mit einem gezwungenen Lächeln auf den Lippen erhob er sich und deutete eine Verbeugung an. »Exzellenz!«, sagte er mit honigsüßer Stimme. »Womit kann ich Euch dienen?«
Dem Mann war nicht anzusehen, ob er sich über die Anrede freute oder sie als das durchschaute, was sie im Grunde war, reine Speichelleckerei. Schweigend blickte er Silberschläger genau in die Augen. Irritiert wies Silberschläger auf den Stuhl vor seinem Pult. »Bitte setzt Euch doch!«
Er war es gewohnt, Menschen, mit denen er zum ersten Mal zu tun hatte, recht schnell zu durchschauen, aber bei diesem Kerl hier versagten all seine Instinkte. Nervös leckte er sich über die Lippen, setzte sich selbst wieder.
Der Mönch tat es ihm gleich. Er schaute in aller Ruhe die einzelnen Bilder der Wandmalereien an. An der halbnackten Athene mit dem Tierfell, das ihre üppigen Rundungen nur unzureichend verhüllte, blieb sein Blick am längsten hängen. »Frauen«, murmelte er dann in einem angeekelten Tonfall.
Silberschläger stützte die Ellenbogen auf seinem Pult ab und zwang sich zu Geduld. Wenn dieser Kerl Spielchen mit ihm treiben wollte, nun gut. Das konnte er auch. In einer lässigen Geste stützte er das Kinn auf die zu einem Dreieck zusammengelegten Fingerspitzen und wartete.
Als der Mönch sich nicht weiter äußerte, sagte Silberschläger: »Seid Ihr hergekommen, um Euch an meinen Gemälden zu ergötzen, oder gibt es etwas, womit ich Euch dienen kann?«
Jetzt endlich richtete der Mann den Blick auf ihn. »Man sagte mir, Ihr seid der derzeit amtierende Lochschöffe«, sagte er.
Silberschläger nickte. Er musste dazu das Kinn
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