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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Kopf. »Ich habe mich schon gewundert, warum du hier bist.«
    Da gab Richard sich einen Ruck. »Ich werde sie noch einmal fragen, ob sie meine Frau werden will.«
    »Und wenn sie wieder nein sagt?«
    »Dann werde ich es aufgeben.« Der Schwindel verstärkte sich erneut. In seinen Ohren begann es zu rauschen.
    Arnulf blickte ihn an. »Sicher?«
    Er rieb sich über die Stirn. »Ehrlich? Ich kann es dir nicht sagen!«
    Kurze Zeit später erhob er sich. Seine Knie zitterten, und er musste einen Moment lang stehen bleiben, um sie wieder unter Kontrolle zu bekommen. Seit wann war er so ein Schwächling? Ein einziger Krug Bier – es war ihm fast peinlich, dass dies auszureichen schien, um ihn von den Beinen zu hauen. Er musterte Arnulf und war froh darüber, dass der Freund ihm offenbar seinen Schwächeanfall nicht ansehen konnte. Für seinen Geschmack hatte er heute bereits genug Spott von dem Nachtraben abbekommen und Mitgefühl sowieso. Das Beste würde sein, er ginge nach Hause und ruhte sich aus, bevor er sich auf den Weg zu Katharina machte. Die Aussicht, ein Bad zu nehmen und in seinem eigenen Bett zu schlafen, schien ihm auf einmal überaus verlockend.
    Er unterdrückte ein Gähnen. »Ich glaube, ich muss nach Hause ins Bett«, murmelte er. »Ich bin todmüde.«
    Arnulf nickte. »Klar.« Er machte Anstalten, ebenfalls aufzustehen, aber Richard nötigte ihn, sitzen zu bleiben.
    »Mach dir keine Mühe! Ich war zwar ein Jahr lang nicht in der Stadt, aber den Weg finde ich schon noch allein.« Er grinste und griff nach Mantel und Schwert. Dann verabschiedete er sich von Arnulf, schließlich von Niklas und Inga und verließ die »Krumme Diele«. Die Tür klemmte so sehr, dass er sie nur mit Mühe aufbekam.
    Die kalte, klare Luft im Freien klärte seinen Geist und vertrieb den Schwindel. Das Pulsieren der Umgebung ließ ein wenig nach. Erst jetzt bemerkte er, dass er seinen Hut drinnen vergessen hatte, und er schüttelte den Kopf über sich. Er brauchte wirklich dringend Schlaf!
    Kurz überlegte er, ob er kehrtmachen und den Hut holen sollte, aber dann entschied er sich dagegen. Dafür wäre auch morgen noch Zeit, jetzt galt es, in ein warmes Bett zu kommen.
    Die Wolkendecke, die gegen Abend den Himmel verhüllt hatte, war ein wenig aufgerissen, und ein halbvoller Mond sandte sein kaltes Licht auf Nürnberg nieder. Sein Leuchten konkurrierte mit dem wärmeren Schein der Fackeln, die an manchen Hausfassaden brannten.
    Richard durchquerte das Spittlertorviertel in Richtung Norden. Er ging vorbei am Elisabethspital, das dem Deutschen Ritterorden gehörte und seit der Gründung von Heilig-Geist im Osten der Stadt nur noch das Alte Spital hieß. Es war durch eine hölzerne Brücke mit der Jakobskirche verbunden. Unter dieser Brücke ging Richard hindurch, dann wandte er sich nach links und passierte das Gasthaus »Zum Roten Ochsen«. Der alte Apfelbaum, der früher auf dem kleinen Platz vor dem Gebäude gestanden hatte, ein Überbleibsel der Gärten aus früheren Zeiten an dieser Stelle, war fort. Jemand hatte ihn gefällt, dann aber offensichtlich ein schlechtes Gewissen bekommen und den alten Baum durch einen neuen ersetzt. Der noch kleine Nachfolger reckte kahle, reichlich dünne Äste in die kalte Luft, und irgendwie kam er Richard traurig vor, ohne dass er hätte sagen können, warum.
    Vorbei an einer langen weiß getünchten Mauer und entlang an einer Reihe Bürgerhäuser, deren wappenverzierte Fassaden verrieten, dass hier Kaufleute wohnten, erreichte er das Viertel an der Pegnitz, in dem das lederverarbeitende Gewerbe ansässig war. Der strenge Geruch der Lohe lag hier in der Luft, ohne dass der leichte Wind, der aufgekommen war, ihn vertreiben konnte. Richard durchquerte die Ledergasse und wollte sich erneut nach links wenden. Doch Stimmen, die auseinem schmalen Durchgang zu seiner Rechten kamen, ließen ihn innehalten.
    »Was wollt Ihr von mir?«, rief jemand. Eine raue Stimme, von der Richard nicht hätte sagen können, ob sie einem Mann oder einer Frau gehörte. »Lasst mich in Ruhe!«
    Er zögerte. Wenn hier jemand in Not war, dann musste er helfen. Er rieb sich über die Augen. Das Schwindelgefühl kehrte zurück, seine Knie zitterten. Sein Magen kehrte sich um, und er schluckte gegen den Würgereiz an.
    »Lasst mich!« Wieder die raue Stimme, dann ein Kreischen, das in einem schrecklichen, feuchten Gurgeln endete.
    Richard atmete einmal tief durch. Dann wandte er sich dem schmalen Durchgang zu und betrat die

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