Madonna
paar Erlebnisse der vergangenen Monate ausgetauscht hatten, begannen sie Scherze zu reißen wie in alten Zeiten. Gerade, als Richard davon erzählte, wie er Kramer kennengelernt hatte, verließen die Huren die Theke und kamen auf ihn zu. Ein Summen entstand in seinem Kopf, leichter Schwindel erfasste ihn, trübte seinen Blick, und er musste blinzeln, um wieder klar sehen zu können.
Die eine der Huren war klein und zierlich. Sie hatte einen Wust blonder Locken, die sie zu einer kunstvollen Frisur aufgetürmt hatte, und sie trug ein Mieder, das so eng war, dass Richard sich unwillkürlich fragte, wie sie Luft bekam. Er wusste ihren Namen nicht. Die andere jedoch, eine magere Frau mit einem blutroten Kleid, kannte er. Ihr Name war Inga. Er war ihr zum ersten Mal im Gasthaus »Zum Roten Ochsen« begegnet. Damals war ihm aufgefallen, dass sie eleganter aussah und besser gekleidet war als die Huren hier im Spittlertorviertel. Konnte es sein, dass das blutrote Kleid, das sie trug, noch immer dasselbe war wie damals? Er verspürte einen Anflug von Mitleid.
Sie baute sich vor Richard auf und legte anmutig die Hände in die Hüften. »Herr Sterner!«, sagte sie mit einem Lächeln, das gleichzeitig anzüglich und seltsam wehmütig war. »Ich wusste ja gar nicht, dass Ihr wieder hier in der Stadt seid! Eure neue Frisur steht Euch gut!«
Richard blickte zu ihr auf. Wieder ergriff ihn ein leichter Schwindel. Das Summen in seinem Kopf verstärkte sich. Er versuchte, auf beides nicht zu achten. Nickte. Er spürte Arnulfs Blicke auf sich ruhen, aber er vermied es, dem Freund ins Gesicht zu sehen, denn er ahnte, dass er sich über ihn amüsierte.
»Lass es gut sein, Inga«, sagte er in freundlichem Tonfall. »Ich habe noch immer kein Interesse.«
Inga pustete sich gegen die Haare, die ihr etwas zu lang in die Augen fielen. Ihr Blick huschte zu Arnulf, dann schluckte sie und sagte: »Wenn er nicht hier wäre, würde ich sogar umsonst mit Euch gehen, das wisst Ihr hoffentlich.«
Richard senkte den Kopf, und es war das erste Mal, dass er es bedauerte, seine Haare abgeschnitten zu haben. Sie hätten ihn jetzt gut vor Ingas prüfenden Blicken verbergen können. »Dein Angebot würde mich ehren«, meinte er dann. »Aber ich müsste es trotzdem ablehnen.«
Inga warf den Kopf in den Nacken. »Tja. Da ist es ja gut, dass ich Euch das Angebot gar nicht mache!« Sie schoss einen bösen Blick auf Arnulf ab, dann drehte sie sich auf ihren hohen Absätzen herum und hakte sich bei der kleineren Hure unter. »Komm, Süße! Hier ist nichts zu holen!«
Und gemeinsam stolzierten sie zur Theke zurück. Richard sah zu, wie sie die Köpfe zusammensteckten und tuschelten. Diesmal, das wusste er, waren die Worte, die sie über ihn wechselten, nicht mehr so freundlich wie noch eben.
Arnulf lachte leise. »Sie ist verschossen in dich, das weißt du hoffentlich!«
Richard zuckte die Achseln. »Macht mir eher nicht den Eindruck.« Er setzte sich etwas anders hin, so dass er den Huren den Rücken zudrehte. Ingas Blicke brannten in seinem Genick. »Wie kommt sie hierher ins Spittlertorviertel?«, fragte er. »Hat sie nicht früher im ›Roten Ochsen‹ gearbeitet?«
Arnulfs Miene verzog sich spöttisch. »Du willst mir hoffentlich nicht sagen, dass du das für einen Abstieg hältst!«
Richard zuckte die Achseln. Das Schwindelgefühl in seinem Kopf verstärkte sich. Das Summen brach abrupt ab, dafür schien die Welt um ihn herum plötzlich in einem gleichmäßig-langsamen Rhythmus zu pulsieren.
Arnulfs Blick wanderte über seine Schulter zu Inga, doch sie hatte sich abgewandt. »Sie mag dich, seitdem du sie beim letzten Mal abgewiesen hast. Es gibt nicht viele Freier, die Huren so höflich behandeln, wie du es tust.« Er hustete in die hohle Hand und griff dann nach seinem Krug, um einen tiefen Zug zu nehmen. »Aber mal im Ernst!«,sagte er, als er abgesetzt hatte. »Noch immer kein Interesse an anderen Weibern?«
Richard spürte das Gewicht dieser Frage wie einen Stein, den Arnulf auf seinem Herzen abgeladen hatte. Langsam schüttelte er den Kopf. Ein Bild erschien vor seinem inneren Auge, das Bild einer jungen Frau mit blonden Haaren und rauchgrauen Augen.
Arnulf schien zu wissen, was er dachte: »Noch immer Katharina also!« Auf seiner Stirn waren tiefe Falten erschienen.
Richard zögerte, doch dann nickte er langsam. »Ihretwegen bin ich zurückgekommen.«
Katharina. Der Klang ihres Namens rührte sein Herz an. Katharina.
Arnulf wiegte den
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