Madonna
Sorge um dein Seelenheil damit vereinbaren, dass du mich frech anlügst?, dachte Katharina bei sich, biss sich jedoch auf die Zunge, um es nicht laut auszusprechen.
»Wenn wir jeden Tag einen Priester kommen lassen«, sagte sie stattdessen, »dann müssen wir auf andere Dinge verzichten. Auf die wöchentliche Fleischration zum Beispiel.« Sie hoffte, dass dies Hiltrud zum Einlenken bringen würde, doch sie hatte sich getäuscht.
Die Frau zuckte die Achseln. »Die anderen sind der Meinung, dass das ein geringer Preis ist für ihr Seelenheil.«
Katharina unterdrückte ein Seufzen. »Ich muss mich jetzt erst einmal um andere Dinge kümmern. Was hältst du davon, wenn wir heute Nachmittag eine Versammlung einberufen? Sag allen Frauen, die gehen können, Bescheid, dass wir uns eine Stunde vor Sonnenuntergang in der Kapelle treffen, dann werden wir darüber sprechen.«
Mit dieser Regelung schien Hiltrud zufrieden zu sein. Sie nickte knapp. »Eine Stunde vor Sonnenuntergang. Wir werden da sein.«
Sei du es auch!, hieß das. Katharina verstand sehr wohl.
Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Gut. Bis nachher.« Und damit drängte sie sich an Hiltrud vorbei und schritt vor ihr die Treppe nach unten.
Als sie die Küche betrat, bemerkte sie sofort den angebrannten Geruch, der in der Luft lag.
Donatus saß auf seinem üblichen Platz am Esstisch und hatte eine Schüssel mit Hafergrütze vor sich. Ein kleiner Topf stand auf dem Herd, dessen Inhalt leise vor sich hinblubberte. Donatus wies mit seinem Löffel darauf.
»Mir ist ein bisschen was in die Flammen gefallen«, sagte er mit vollem Mund.
Katharina nahm sich einen Lappen und hob damit den Topf vom Feuer. Vorsichtig schnupperte sie daran, die Grütze darinnen roch, wie sie riechen sollte. Katharina war erleichtert. Wenn es etwas gab, das ihr den Tag noch mehr verderben konnte als unruhiger Schlaf und sündhafte Träume, dann war das verbrannter Haferbrei, den sie sich in ihren ohnehin stets missmutigen Magen zwängen musste.
Sie gab zwei Holzlöffel voll von der Grütze auf einen Teller und setzte sich zu ihrem Bader an den Tisch. Eine Weile lang aßen sie beide schweigend, und Katharina spürte die Anspannung, die Donatus erfasst hatte. Ihm war bewusst, dass eine Aussprache in der Luft lag und dass er ihr nicht mehr lange ausweichen konnte.
Schließlich räusperte er sich. »Wegen der Sache …«
Sie ließ den Löffel sinken. Aufmerksam und, wie sie hoffte, offen und freundlich sah sie Donatus ins Gesicht.
Er zögerte, biss sich mit dem Eckzahn auf die Unterlippe. »Was wollte dieser Nachtrabe gestern Abend hier?«, wich er dem eigentlichen Thema schließlich aus.
Mit einer behutsamen Geste legte Katharina den Löffel auf den Tisch. »Du hast ihn bemerkt«, sagte sie. Sie hatte gehofft, das sei nicht der Fall gewesen.
Er nickte nur.
Kurz überlegte sie, was sie ihm sagen sollte. Dann entschied sie sich, ehrlich zu sein. »Er wollte mich warnen. Vor dir.« Sie wedelte durch die Luft, weil sie selbst merkte, dass ihre Worte ungenau waren. »Eigentlich eher vor deiner …«
»Sodomie.« Er sagte es ganz ruhig. »Er hat Angst, dass du meinetwegen Schwierigkeiten bekommen könntest. Was hast du ihm gesagt?«
Sie nahm den Löffel wieder auf, aß einen Bissen, bevor sie antwortete. »Dass ich dich nicht fortschicken werde.«
Donatus senkte den Blick auf die Tischplatte. Sein rundliches Gesicht war bis eben blass gewesen, aber jetzt zog eine leichte Röte an seinem Hals herauf, und Katharina vermochte nicht zu sagen, ob sie von Verlegenheit herrührte oder von Freude.
Sie wappnete sich. »Aber ich werde dich auch nicht mehr so einfach davonkommen lassen.«
Sein Kopf ruckte hoch. »Was meinst du?«
»Ich war in der Nacht bei Tobias. Er hat schlimme Alpträume, und als ich wissen wollte, was er in Heilig-Geist erlebt hat, da hat er nicht geantwortet, nur … gepfiffen.« Sie forschte in Donatus’ Gesicht bei diesen Worten.
Sein Adamsapfel bewegte sich auf und ab, zweimal schnell nacheinander. Die roten Flecken an seinem Hals verdunkelten sich. Dann, nach einer Pause, die Katharina schier unendlich vorkam, spitzte er die Lippen und pfiff dieselbe Melodie, die auch Tobias in der Nacht von sich gegeben hatte.
Wieder rann Katharina ein Schauer über den Rücken. Sie presste die Lippen aufeinander, wollte die nächste Frage nicht stellen, wollte sich die Ohren zuhalten und sich nicht mit diesen furchtbaren Dingen befassen. Himmel, musste sie denn immer noch mehr
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