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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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ich helfen dir«, fuhr Hiltrud fort. Laurentia war eine der wenigen anderen Frauen im Fischerhaus, die, wie Hiltrud, noch imstande war, für sich selbst zu sorgen. Sie litt häufig unter heftigen Rückenschmerzen, aber trotzdem war sie an den meisten Tagen in der Lage, zu laufen und leichte Arbeiten zu verrichten. »Wir kümmern uns um die Beerdigung und alles, was damit zusammenhängt. Ich vermute, Donatus hat dem Priester vom Kloster schon Bescheid gegeben?«
    Katharina nickte, und sie hatte ein schlechtes Gewissen dabei. So viel war gestern Abend passiert, dass sie völlig vergessen hatte, ihren Bader danach zu fragen, wann Brunhilds Leiche abgeholt werden würde.
    Genau das sagte sie Hiltrud jetzt.
    »Ich fürchte, Donatus können wir im Moment nicht danach fragen«, meinte die. »Er ist eben wie vom Teufel gehetzt an mir vorbeigestürzt. Aber einerlei. Ich werde gleich nachher zu den Kartäusern gehen und das in Erfahrung bringen.« Forschend musterte sie Katharina. »Was hast du jetzt vor?«
    Wieder beutelte das schlechte Gewissen Katharina, doch diesmal schaffte sie es, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Mit einem unterdrückten Seufzen stand sie auf. »Ich muss kurz nach Heilig-Geist undetwas erledigen.« Vielleicht konnte sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Sie würde sich nach Mechthilds Befinden erkundigen, und dann würde sie sie nach den furchtbaren Dingen fragen, die sie eben von Donatus erfahren hatte. Wenn er bereits versucht hatte, die Zustände im Spital anzuprangern, dann mussten doch auch andere Menschen davon wissen.
    »Kannst du mir noch einen Gefallen tun?«, fragte sie, während sie schon auf den Flur hinaustrat und nach Mantel und Haube griff.
    Hiltrud nickte.
    »Kannst du dafür sorgen, dass Tobias etwas isst?«
    »Natürlich.«
    »Ich danke dir.« Katharina legte ihre Haube an. Dann machte sie sich auf den Weg nach Heilig-Geist.
    Eigentlich hatte Donatus vorgehabt, sich in seine Kammer zurückzuziehen, um ein wenig zur Ruhe zu kommen. Als er aber die Tür hinter sich zugeworfen hatte, war er erfüllt von der Qual, Katharina ihre Frage nicht beantworten zu können.
    Weil er die Antwort nicht kannte.
    Er wusste es nicht!
    Er wusste schlicht nicht, wer den Jungen in Heilig-Geist all diese furchtbaren Dinge antat. Mitten im Raum blieb er stehen. Sein Herz kam an seiner Stelle ins Stolpern, als er am Bettpfosten Halt suchte.
    Er wusste es nicht, weil Kilian sich geweigert hatte, es ihm zu erzählen. »Was weißt du schon?«, hatte er ihm an den Kopf geschleudert, bevor er davongelaufen war und Donatus ihn zum letzten Mal gesehen hatte.
    Wie sehr hatte er sich nach Kilians Tod gewünscht, das elende Schwein würde kommen und ihn, Donatus, als Opfer erwählen. Er hatte jedem männlichen Bewohner des Spitals vielsagende Blicke zugeworfen, wohl wissend, dass er Gefahr lief, als Sodomit erkannt zu werden. Jede Nacht hatte er dagelegen und auf Schritte gelauscht, die in der Dunkelheit erklungen waren. Vergebens. Irgendwann hatte er einsehen müssen, dass er für den Mistkerl offenbar bereits zu alt war.
    Vorsichtig, weil er nicht sicher war, ob seine Beine ihn bereits wieder trugen, ließ er den Bettpfosten los.
    Und dann fasste er einen Entschluss.
    Er würde die Antwort erfahren. Hier. Jetzt!
    Er verließ seine Kammer, ging die Treppe hoch und hielt vor Tobias’ Tür inne. Einen Moment zögerte er, dann biss er grimmig die Zähne aufeinander. Verflucht sollte er sein, wenn er noch einmal zuließ, das es erneut geschah!
    »Tobias?« Sachte klopfte er an die Tür. »Tobias, kann ich mit dir reden? Es ist wirklich wichtig!«
    Er erwartete nicht, dass ihm geöffnet wurde, umso überraschter war er, als drinnen tatsächlich Stuhlbeine über den Boden schrammten und die Tür einen Spaltbreit aufschwang. Tobias’ Gesicht blickte ihm entgegen, ganz eingefallene Wangen und tiefe Schatten unter den Augen.
    »Darf ich reinkommen?«, fragte Donatus.
    Wortlos kehrte Tobias zu seinem Bett zurück, und an den Geräuschen, die die Matratze machte, konnte Donatus erkennen, dass er sich daraufsetzte.
    Er streckte die Hand aus und stieß die Tür weiter auf, so dass er Tobias gut sehen konnte. Der Junge hatte sich in die hinterste Ecke zurückgezogen und die Beine vor der Brust umschlungen. Über seine Knie hinweg starrte er Donatus ängstlich entgegen.
    »Ich tu dir nichts!«, versprach der Bader. »Ich bleibe hier bei der Tür stehen, versprochen!« Er wartete, wie Tobias reagieren würde.
    Der überlegte.

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