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Madrapour - Merle, R: Madrapour

Madrapour - Merle, R: Madrapour

Titel: Madrapour - Merle, R: Madrapour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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kehrt die Stewardess den Rücken zu, aber die Murzec hat verächtlich geschnauft, als sie meine Geste sah, und mein linker Nachbar Caramans zog seinen Mundwinkel etwas höher, ohne indes die Lektüre von
Le Monde
zu unterbrechen. Ich finde Caramans mit seinem korrekten Haarschnitt und mit seinem biederen Enarchenkopf 1 plötzlich sehr unsympathisch.
    Ich kann jedoch keine Ewigkeit damit zubringen, ein Glas Wasser zu trinken oder das leere Glas zu halten, auf das die Stewardess wartet, die in ihrer Melancholie dem Verkündigungsengel Leonardo da Vincis gleicht. Ich sehe wieder ihre traurigen Augen und frage leise: »Haben Sie Sorgen?«
    »Wie sollte ich jetzt keine haben!« entgegnet sie, und ihre Anspielung, die zuviel oder zuwenig aussagt, bestürzt mich.
    »Wissen Sie«, fahre ich fort, »was mich die Erfahrung gelehrt hat? Wenn man Probleme hat, braucht man nur lange genug zu warten, und die Probleme lösen sich von selbst.«
    »Wollen Sie sagen, durch den Tod?« fragt sie angstvoll.
    Ich bin betroffen.
    »Nein, nein«, sage ich mit unsicherer Stimme. »Nein, nein, ich denke nicht so weit in die Zukunft. Ich will einfach sagen, daß sich mit der Zeit Ihr Blickwinkel verändert und Ihre Sorgen die Schärfe verlieren.«
    »Nicht alle«, sagt sie.
    Ihre Hand bewegt sich in der meinen wie ein kleines gefangenes Tier; ich lasse sie sofort los, gebe ihr das Glas zurück, und sie entfernt sich mit einem letzten Lächeln, mehr denn je eine geknickte Blume. Ich hatte den gewünschten Kontakt, doch von der Unruhe, die an ihr nagt, hat sie mir nichts gesagt. Ich bin noch nie einem so anziehenden und gleichzeitig so unerreichbaren Menschen begegnet.
    Ich möchte auf die kreisförmige Anordnung der Sitze zurückkommen und zur Verdeutlichung eine Skizze anfertigen, welche zeigt, »wer neben wem sitzt«, wie die Engländer sagen würden.
    Ich habe mein Vergnügen an dieser Skizze. Sie erinnert mich an die herrlich aufregenden kleinen Pläne der englischen Kriminalromane vom Anfang des Jahrhunderts. Nur mit dem Unterschied – ich sage es auf die Gefahr hin, von vornherein jegliche »Spannung« zu zerstören –, daß hier aller Wahrscheinlichkeit nach niemand ermordet wird, so gut »angelegt« Chrestopoulos in der einen oder anderen Rolle auch sein mag.
    Meine Zeichnung zeigt deutlich die außergewöhnliche Sitzverteilung in der ersten Klasse, während die Anordnung der Sitze in der Touristenklasse herkömmlich ist. Die Einbuße an Plätzen ist augenfällig; die erste Klasse ist viel länger als zum Beispiel in einer DC 9, wo jedoch zwölf Sessel Platz finden,während wir hier nur sechzehn auf einer viel größeren Fläche haben. Daher Blavatskis Spitze: »Die Franzosen haben keine Ahnung von der Rentabilität eines Flugzeugs.«

    Aber das ist natürlich der reinste Unsinn. Denn es wäre durchaus vorstellbar, daß ein Staatschef die Inneneinrichtung dieser Maschine so in Auftrag gegeben hat, um mit seinen Mitarbeitern während des Fluges beraten zu können. In einem solchen Falle hätte die Chartergesellschaft die Maschine aus zweiter Hand gekauft und sich einfach die Kosten eines Umbaus gespart.
    Mich persönlich berührt diese Anomalie nicht übermäßig. Viel bestürzender finde ich, daß die Touristenklasse leer ist, daß der Flughafen Roissy-en-France verödet war, daß meine Koffer dort in einem Aufzug verschwunden sind; bestürzend finde ich die Anweisungen, die die Stewardess bezüglich der Pässe und des Bargeldes erhalten hat, und den im Sande verlaufenen Zwischenfall wegen der Bordinformation.
    Ich fasse einen klugen Entschluß: ich will das alles vergessen während des fünfzehnstündigen Fluges, ich will mich nicht von vermutlich wenig begründeten Ängsten quälen lassen, ich will meinem ruhelosen Charakter nicht gestatten, mir die Reise zu verderben. Ich mache es mir in meinem Sessel bequem und suche Ablenkung, indem ich mir mit halbgeschlossenen Augen meine Reisegefährten ansehe.
    Dabei mache ich eine amüsante Beobachtung: in der Art, wie die Leute Platz genommen haben, zeigt sich eine gewisse Geschlechtertrennung. Bis auf die Inderin findet man im rechten Halbkreis nur Männer: Geschäftsleute mittleren Alters und hohe Funktionäre. Im linken Halbkreis sieht man dagegen nur Frauen; Ausnahmen sind hier Manzoni, der sie sehr zu lieben scheint, und Robbie, der sie wohl weniger mag, sich aber Manzoni angeschlossen hat. Männer und Frauen dieser Seite scheinen – nach ihrer Kleidung und ihrem Auftreten zu urteilen

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