Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Madrapour - Merle, R: Madrapour

Madrapour - Merle, R: Madrapour

Titel: Madrapour - Merle, R: Madrapour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
glaube ich mit aller Kraft, will ich glauben, daß sie mich liebt. Wie dem auch sei: sie ist da. Ich sehe meine wortkarge Stewardess an und höre gleichzeitig, wie Michou sich auf ihre naive Weise bemüht, Pacaud zu trösten.
    »Du wirst ihm doch nicht ewig nachweinen, diesem Kerl! Wo er dich doch nicht riechen konnte! Du spinnst, Dicker!«
    Der Dicke spinnt wirklich, aber nicht mehr als Mrs. Banister, die von ihrem Bad träumt.
    »Michou, das verstehst du nicht«, sagt Pacaud leise. »Meine Frau hatte ihn mir anvertraut! Was soll ich meiner Frau jetzt sagen?«
    »Nichts«, wirft Robbie unvermittelt ein und richtet sich mit gereiztem Blick auf. »Nichts werden Sie ihr sagen! Aus dem einfachen Grund, weil Sie niemals mehr Gelegenheit haben werden, ihr irgend etwas zu sagen!«
    Dieser Eklat schreckt uns auf, der Kreis sieht Robbie bestürzt und entrüstet an. Aber dieser hält unseren Blicken stand. Und niemand, nicht einmal Pacaud, wagt es, seine gewagte Herausforderung zurückzuweisen oder eine Präzisierung von ihm zu verlangen. Man könnte meinen, der Kreis sei sich plötzlich der Fragwürdigkeit seiner Hoffnungen bewußt geworden und fürchte, sie in einer Diskussion mit Robbie in Frage zu stellen. Spannungsgeladenes, lähmendes Schweigen tritt an die Stelle unserer regen Landevorbereitungen. Der Kreis zieht sich verängstigt in sein Schneckenhaus zurück. Die Münder sind verschlossen, die Blicke erloschen.
    Diese plötzliche Zurückhaltung macht um so mehr betroffen, als vorher ein einziges Kommen und Gehen gewesen war, Drängelei vor den Toiletten, Geschäftigkeit jeder Art. Die Spannung ist so stark, daß ich der Stewardess für ihr Eingreifen fast dankbar bin. Ich sage »fast«, weil sie beim Aufstehen meine Hand losläßt und mich ein Gefühl der Verlassenheit überkommt, als ich ihre warmen Finger nicht mehr in meiner Hand spüre.
    »Bitte schnallen Sie sich fest«, sagt sie ganz sachlich.
    Tatsächlich hat bisher niemand daran gedacht. Und während die Passagiere ihre Anweisung befolgen, geht die Stewardess um den Kreis herum und überzeugt sich mit einem Blick, daß die Gurte ineinander verhakt sind. Dieser professionelle Eifer beruhigt uns. Er scheint zu beweisen, daß alles wieder seine Ordnung hat: wir landen. Die Sicherheitsvorschriften werden eingehalten. Die Stewardess wacht gewissenhaft darüber. Also handelt es sich letztendlich um ein Flugzeug wie jedes andere, selbst wenn sich niemand im Cockpit befindet – und um einenFlug wie jeden anderen, selbst wenn er uns ein wenig lang erschienen ist.
     
    Obwohl das Schweigen jetzt nicht mehr so spannungsgeladen ist, sagt niemand ein Wort. Die Zeit verrinnt mit der Gleichförmigkeit jener Normaluhren ohne Zifferblatt, die die Stunden und Minuten auf zwei Leuchttafeln anzeigen. In jeder Sekunde verlischt eine Ziffer und leuchtet eine andere auf, die ihrerseits wieder verlischt. Wenn man dieses Aufleuchten und Verlöschen eine Weile beobachtet, packt einen unweigerlich lähmendes Entsetzen: nichts könnte die Unvermeidlichkeit unseres eigenen Endes besser veranschaulichen. Im Grunde würde es genügen, sich hinzusetzen, die Leuchtziffern zu beobachten und lange genug zu warten.
    Warten, das ist es, was wir alle in diesem Augenblick tun in unserem Kreis, ohne Normaluhr, ohne Armbanduhr, sogar ohne das Alibi einer Beschäftigung wie auf der Erde.
    In der Chartermaschine ist es dämmrig geworden. Die Stewardess hat, wie sie sagte, keine Möglichkeit, die Beleuchtung einzuschalten: diese wird vom BODEN gesteuert, und der BODEN hat Gott weiß warum beschlossen, uns bei einbrechender Nacht das Licht vorzuenthalten. Eine kleine Abweichung vom Programm des Vortages. Gestern abend waren die Lampen bis zur Landung eingeschaltet geblieben und erst beim Öffnen der Türen erloschen. Ich bin überzeugt, nicht als einziger diesen Unterschied bemerkt zu haben, aber niemand, nicht einmal Blavatski, äußert sich dazu. An sich ist dieser Unterschied wohl nicht sehr bedeutungsvoll, aber vielleicht haben wir Angst, einen neuen Angriff Robbies gegen unsere Hoffnungen auszulösen, wenn wir darauf aufmerksam machen.
    Jetzt ist es so dunkel, daß wir kaum die Gesichter unserer Gegenüber erkennen können. Ich nehme an, daß die Dämmerung von Minute zu Minute intensiver wird und schließlich tiefer Schwärze weicht. Aber mitnichten. Das Licht scheint seine Intensität beizubehalten: ein fahles Grau, das die Physiognomie verwischt und von jedem Gesicht nur einen breiten

Weitere Kostenlose Bücher