Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Madrapour - Merle, R: Madrapour

Madrapour - Merle, R: Madrapour

Titel: Madrapour - Merle, R: Madrapour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
und einen lässigen Jargon unter vier Augen): »Das haut mich aufn Arsch.«
    »Wieso?«
    »Daß ein Typ wie dieser sich drauf einläßt, so einen Preis zu zahlen, um für ein junges Flittchen in die Bresche zu springen. Oder wenn Sie anders wollen: wie kann einer zu solchen Schweinereien fähig sein und auch zu einer so verrückten Großzügigkeit?«
    »Was schließen Sie daraus?« frage ich, erstaunt über die Wendung, die er seinem Urteil gibt.
    »Nichts«, sagt er. Doch mit seiner gewohnten Vulgarität fügt er gleich hinzu: »Höchstens, daß man nicht so wichtig nehmen sollte, was ein Mann tut, wenn er seine Hosen runterläßt.«
    Ich sage kein Wort, mir liegt nichts an einem Gespräch im Flüsterton, und obwohl ich im Grunde nicht einverstanden bin, beeindruckt mich Blavatskis Standpunkt.
    »Übrigens«, fährt er fort, »ist in diesem Flugzeug alles seltsam, angefangen bei den Motoren. Hören Sie sie?«
    »Kaum.«
    Alle diese Gespräche
a parte
tragen nur dazu bei, die Atmosphäre noch mehr zu belasten. Und Robbie versucht, gewiß aus purer Freundlichkeit, ein Ablenkungsmanöver zu starten.
    »Die französische Sprache ist wirklich extraordinär«, beginnt er in einem unbefangenen Tonfall, der von Anfang an unecht klingt. »Wenn man ›das Haus‹ sagt, muß man selbstverständlich eine Ergänzung hinzufügen, also ›das Haus von Paul oder von Pierre‹ oder auch ›das Haus des Volkes‹ oder ›dasHaus der Kultur‹. Aber wenn man ›
ein
Haus‹ sagt, weiß jeder Bescheid …«
    Er unterbricht sich bei unseren entsetzten Blicken. Der einzige, den diese Bemerkung belustigt, ist Blavatski, weil er darin, meiner Ansicht nach zu Unrecht, eine Spitze gegen die Franzosen sieht.
    Michou bricht daraufhin in Schluchzen aus. Etwas Besseres hätte ihr nicht einfallen können, um die Aufmerksamkeit von Pacaud abzulenken. Ihre Tränen lösen eine wohltuende Welle des Mitleids aus, das von allen geteilt wird, ausgenommen das indische Paar, Madame Murzec und auch Madame Edmonde, die verärgert zusieht, wie die Tränen ihres einstigen Opfers fließen.
    In einem gewissen Maße kann man sie verstehen. Michou wurde der Reichtum in die Wiege gelegt, und Madame Edmonde wuchs in einem erbarmungslosen Milieu auf, dem sie nur durch Härte und Verschlagenheit, nicht durch Flennen entronnen ist.
    Madame Edmonde steht auf, wahrscheinlich um sich wieder zurechtzumachen, und geht mit erhobenem Kopf durch unseren Kreis. Äußerlich ist sie wirklich eine imposante Erscheinung, bewundernswert in den Proportionen und ein vielversprechendes Temperament.
    Seit sie weg ist, führt Manzoni leise ein Gespräch mit Robbie. Ich kann nicht verstehen, was er sagt, aber mir scheint, daß er seinen Freund überreden will, die Plätze zu tauschen. Manzoni wird ziemlich energisch, und Robbie gibt schließlich sehr unwillig nach. Mit lässiger Grazie seinen langen Körper entrollend, steht er auf und überläßt seinen Sessel Manzoni, der den seinen Michou überläßt. Ohne sich dessen richtig bewußt zu werden, findet sie sich, immer noch schluchzend, zwischen Manzoni und Robbie wieder und damit ihrer linken Nachbarin entzogen. Dieses Arrangement behagt zwar Robbie nicht, der jetzt mit seinem Freund keine »Tuchfühlung« mehr hat, wie man in der Armee sagt, kommt jedoch dem Italiener sehr zustatten, der mit Michou zu seiner Linken und Mrs. Banister zu seiner Rechten über Möglichkeiten verfügt, nach zwei Seiten Beziehungen anzuknüpfen.
    Pacaud nimmt diesen Stellungswechsel mit gemischten Gefühlen und ziemlich unglücklichem Blick auf, aber nach denAnspielungen Madame Edmondes auf die Motive seines Interesses für Michou wagt er es nicht, erneut einzugreifen. Mrs. Banister wiederum scheint nicht einmal bemerkt zu haben, daß an ihrer Seite jetzt ein Nachbar sitzt, der sich von Robbie erheblich unterscheidet. Dabei ist es nur ihr Vorteil! Künftig wird sie sich nicht mehr nach vorn beugen müssen, um ihren Charme an den Mann zu bringen.
    Caramans zu meiner Linken wirkt inmitten dieser Aufregung so weise und untadelig, daß mich die Neugierde treibt, ihn leise zu fragen: »Was halten Sie denn von alledem?«
    »Eine Peripetie«, sagt er mit hochgezogenem Mundwinkel und betont das Wort so, als unterstellte er ihm einen besonderen, abwertenden Sinn. Förmlich fügt er hinzu: »Selbstverständlich wissen Sie, daß diese Häuser in Frankreich seit Kriegsende laut Gesetz verboten sind.«
    »Aber es gibt sie?«
    »Es gibt sie überall in der Welt«, sagt

Weitere Kostenlose Bücher