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Madrapour - Merle, R: Madrapour

Madrapour - Merle, R: Madrapour

Titel: Madrapour - Merle, R: Madrapour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Diplomat sagt: »Ihr Bericht setzt mich in Erstaunen«, zieht er die Glaubwürdigkeit des Gesagten in Zweifel. Das ist von Chrestopoulos’ Beschuldigung »Sie lügen« nicht weit entfernt, höchstens taktvoller formuliert.
    »Dieser Bericht setzt Sie in Erstaunen?« fragt Robbie mit unverhohlener Herausforderung. Und als zöge er in einem großenWaffengang zur Verteidigung Madame Murzecs das Schwert, fährt er mit Bravour fort: »Warum?«
    Caramans blinzelt aus halbgeschlossenen Augen. Ihm liegt nichts daran, gegen Robbie zu polemisieren – obwohl er ihm mit »einigen Vorbehalten« begegnet. Andererseits ist er sichtlich sehr darauf bedacht, seinen Standpunkt bezüglich der Kunstledertasche durchzusetzen. An die Murzec gewandt, als ob dieses »Warum« von ihr gekommen wäre, sagt er: »Weil Ihr Bericht etwas spät kommt, geben Sie es zu, Madame.«
    Ehe Madame Murzec antworten kann, stürzt sich ihr Ritter mit erhobenem Schwert in die Schlacht.
    »Spät! Ich sehe darin keinen Grund, ihm zu mißtrauen. Letzten Endes hat Madame Murzec bei der Landung ein schreckliches Erlebnis gehabt. Sie hat selbst von ihrem Entsetzen gesprochen. Und ich muß Sie auch bitten, sich daran zu erinnern, daß Madame Murzec, als sie uns das erstemal zu erzählen versuchte, was sich auf der Erde abgespielt hat, bei einigen von uns auf entmutigenden Unglauben gestoßen ist. Ihr Bericht ist durch die dauernden Interventionen buchstäblich zerhackt worden.« Robbie sagt das sehr verdrossen, ohne indes Blavatski anzusehen. »Kurzum, man hat kein Mittel gescheut, eine als unerwünscht geltende Wahrheit zurückzudrängen und Madame Murzec zum Schweigen zu bringen. Unter solchen Bedingungen ist es nicht verwunderlich, daß ihr eine Erinnerung, selbst eine so wichtige Erinnerung, entfallen ist.«
    Robbies These ist stichhaltig und weist Caramans in die Schranken, so daß ich erwarte, dieser werde die Partie aufgeben, zumal ein Festhalten an seinem Skeptizismus für Madame Murzec eine unverhohlene Beleidigung darstellen würde. Aber ohne daß ich zu begreifen vermag, worauf es ihm in dieser Diskussion wirklich ankommt, klammert sich Caramans äußerst hartnäckig an seinen Standpunkt. Eine merkwürdige Situation, denn Madame Murzec begnügt sich damit, ihn mit ihren blauen Augen anzusehen; und weil sie beharrlich schweigt und sich nicht zum Kampf stellt, muß Caramans sich bescheiden, die Klinge mit Robbie zu kreuzen – was er nur lustlos tut, da er ohne Zweifel jeden Augenblick eine hinterhältige Attacke seitens eines Individuums befürchtet, das offenbar alle Regeln zu verletzen bereit ist und dies bei der Partnerwahl im sexuellen Bereich schon demonstriert.
    Caramans senkt die Augenlider, um den intensiven blauen Blick der Murzec zu filtern; höflich ihr zugewendet, vermeidet er, sie anzusehen, und sieht, während er antwortet, auch über Robbie hinweg.
    »Es versteht sich von selbst, daß ich Madame Murzecs Aufrichtigkeit mitnichten in Zweifel ziehen will. Aber sie kann sich geirrt haben. Die Nacht war stockfinster, sie selbst hat es betont. Aus rund zwanzig Meter Entfernung hat Madame Murzec von den Indern in dem spärlichen Lichtschein einer Taschenlampe nur Umrisse erkennen können. Vielleicht ist sie von einem Schattenspiel getäuscht worden, zumal sie in dem bewußten Augenblick in heller Panik war.«
    Caramans gibt also, was die Lüge betrifft, Boden auf, macht den Verlust aber durch seine These von der optischen Täuschung wett.
    Robbie spürt genau, daß nur Madame Murzec selbst diesem verfänglichen Skeptizismus begegnen könnte. Er wirft ihr einen Blick zu, um sie aufzufordern, sich zu äußern. Verlorene Mühe. Die Murzec sieht nichts. Sie heftet ihre Augen starr auf Caramans’ Gesicht.
    »Was halten Sie davon, Madame?« fragt Robbie, schwankend zwischen Ehrerbietung und Ungeduld und gleichsam verdrossen, daß seine Mandantin so wenig an ihrer eigenen Verteidigung mitwirkt.
    »Ach nichts«, erwidert die Murzec, ohne die Richtung ihres Blicks zu ändern. »Wenn Monsieur Caramans mir nicht glauben will, ist es seine Sache.«
    Weder im Ton noch im Inhalt ist ihre Bemerkung aggressiv, und doch hätte Madame Murzec Caramans nicht tiefer kränken können.
    »Madame!« sagt er, mit strengem Blick sich aufrichtend. »Es ist doch nicht so, daß ich Ihnen
nicht glauben will
! Aber Ihre Darstellung der Tatsachen ist absolut unwahrscheinlich. Überlegen Sie doch! da ist ein Mann, der sich selbst als ›Wegelagerer‹ bezeichnet, der uns

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