Madru
entspannen, hatte er ein Rudel Wölfe über den Himmel fliegen sehen. Er hatte Montigorr nichts von dieser merkwürdigen Beobachtung gesagt, sondern Aufschluß darüber auf den Wegen im Lebensbaum gesucht, ohne eine Antwort zu finden.
Madrus Unruhe nahm spürbar zu, als er einmal an der Tür vorbeikam, hinter der die Schwarze Köchin mit Riegel und Drudenfuß gesichert gefangen saß. Er horchte. Es war ganz still hinter der Tür. Da! Jetzt meinte er ein unterdrücktes Kichern zu hören.
»He ... bist du noch da?« fragte er und dachte daran, wie peinlich es für ihn wäre, wenn sie gerade während der Abwesenheit des Meisters davonliefe.
»Freilich«, sagte ihre warmherzige, dunkle Stimme, »und ich weiß einen, der käme gern hier herein, wenn er es nur vermöchte.« »Warum sollte er hereinwollen?« fragte Madru neckend.
»Weil er jung ist und nicht alt ... weil ihm lange keine Frau mehr ein Liebessüppchen gekocht hat und die, die er liebt, ist weit fort. Aber er kann nicht herein, weil er eben nur den Witz eines Lehrlings hat und nicht den des Meisters selbst.«
»Nun, das ist noch nicht ausgemacht«, rief Madru, »unterdessen weiß ich mindestens soviele Zauberworte wie Montigorr, wenn nicht sogar noch mehr.«
»Dann müßte es ja ein Leichtes sein, die Riegel zu sprengen und die magischen Sperren an Tür und Fenster zu öffnen.«
»Es würde mir gelingen, wenn ich wollte.«
»Aber du willst nicht?« Sie schien enttäuscht.
»Warum sollte ich?«
Er hörte, wie sie drinnen mit dem Fuß aufstampfte und ausrief: »Bist du so dumm oder stellst du dich so? Seit dem Tag, da du zum ersten Mal an unserem Tisch saßest, habe ich dir durch Blicke wieder und wieder zu verstehen gegeben, daß ich dich gern mag. Gewiß, bis heute hat der zittrige Alte mich und dich immer gut bewacht. Aber nun hat unsere Liebe ihre Chance. Worauf wartest du noch?«
Madru ging fort von der Tür.
Er spürte, wie das Verlangen nach der Schwarzen Köchin von ihm Besitz ergriffen hatte. Es bereitete ihm Genugtuung, sich diesem Verlangen zu widersetzen. Was war schon ein Schäferstündchen verglichen mit den Geheimnissen der Magier, die Montigorr mit ihm geteilt hatte? Aber war die Schwarze Köchin nicht auch eine Zauberin? War es nicht geradezu seine Pflicht, sich in den Zauberkünsten, über die sie gebot, unterweisen zu lassen?
Vertrauen gegen Vertrauen, murmelte Madru vor sich hin, und war wieder entschlossen, standhaft der Versuchung zu widerstehen. Wie lächerlich moralisch, war seine nächste Überlegung. Hatte er nicht sogar Bru sagen hören: wir kommen ohne Moral in dieser Welt ganz gut aus.
Er ging in den Zaubersaal, setzte sich vor den Lebensbaum, um sich so auf andere Gedanken zu bringen. Bei dem 10. Kreis, der Malkuth genannt wird, begann sein Weg. Er sah den Regenbogen und Kallah, die Königin, Braut und Jungfrau. Er stieg auf zu Yesod, worin die tiefsten und stärksten Kräfte der Natur, die Intelligenz und die Einbildungskraft, vereint sind. Er ging weiter zu Tiphareth, was Schönheit heißt. Er verspürte einen starken Sog, dem er sich überließ und kam nicht, wie er erwartet hatte, nach Chokmah, der männlichen Klugheit, sondern nach Binah, dem weiblichen Verstehen, und als er diesen Kreis erreichte, wußte er, daß es das Zeichen war, mit dem Montigorr die Kammer der Schwarzen Köchin verschlossen hatte. Eigentlich nur um sich zu vergewissern, daß er sich in dieser Sicherheit nicht täuschte, ging er vor die Tür der Kammer und fragte: »Bist du noch da, Schwarze Köchin?«
»O ja«, antwortete sie, »noch ist kein anderer gekommen und hat mir die Tür aufgetan. Aber wenn du noch lange zögerst ...«
Da kniete er sich nieder und malte das Zeichen Binah auf die Schwelle. Er hörte, wie das Schloß zurücksprang.
»Die Tür ist offen ... aber warte noch einen Augenblick«, rief die Schwarze Köchin ihm zu.
Es zuckte und zerrte in ihm, aber er wartete.
»Jetzt komm zu mir«, sagte sie.
Er drückte die Klinke herunter und trat ein. Sie saß nackt, die Beine gespreizt, die Arme gegen ihn ausgestreckt, in einem Korbstuhl, der aussah wie ein Thron. Vor dem großen Stuhl lag ein weiß-braun geflecktes Ziegenfell.
Einen Augenblick kam ihm der Gedanke von Furcht, daß der Alte sie überraschen könne. Dann wehten seine Kleider davon, und als sie sich umarmten, verbrannte die Furcht in einem lodernden Feuer.
Nachdem sie sich geliebt hatten, lagen sie eine Zeitlang nebeneinander.
»Was wirst du jetzt tun?« fragte
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