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Madru

Madru

Titel: Madru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Hetmann
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den Großen Wald. Ein ganz anderes Glück.
    War es Glück? Er besann sich. Langsam, auf allen Vieren, kroch er durch die Gänge in der Hecke nach vorn. Es wurde immer heller. Dann sah er über sich blauen Himmel, wolkenlos. Ruhig geworden, setzte er sich neben den Fremden und lauschte der Musik. Irgendwann einmal setzte der Fremde die Fiedel ab.
    »Ase heiße ich«, sagte er.
    »Ich heiße Madru. Es hat mir gefallen, was Ihr gespielt habt. Es ist noch schöner als einem Geschichtenerzähler zuzuhören. Wenn man Euch zuhört, erfindet man sich selbst Geschichten. Sie ziehen durch einen hin, als seien es Wolken.«
    »Ich könnte dich lehren, selbst Fiedel zu spielen.«
    »Wirklich … das würdet Ihr tun?« Das wäre Glück, überlegte Madru.
    »Besser jetzt?« fragte Ase.
    »Ich bitte Euch … spielt noch eine solche Melodie. Ich wollte nicht Sternensohn sein. Ich wollte davonlaufen mit meiner Mutter in den Wald. Sie mochte nicht mitkommen. Es ist mir jetzt anders als vorhin. Es muß an Eurer Musik liegen. Jetzt freue ich mich auf die Ferne.«
    Ase begann leise zu spielen und dabei sagte er: »Schon gut, mein Junge. Es ist eine mühsame Sache, geboren zu werden. Schon das erste Mal, aber das zweite Mal auch. Ich verrate dir ein Geheimnis. Ich habe dich gesehen, als du dort oben auf der Galerie gestanden hast ... unter dem Teppich mit den Greifen, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte Madru, »ich schäme mich, daß ich gelauscht habe, aber …«
    »Wer neugierig ist auf die Wahrheit, braucht sich nicht zu schämen«, sagte Ase.
    »Ich hatte geträumt …«
    »Du hast gehofft, daß du dort dein Mädchen treffen würdest, ich weiß«, sagte Ase, ohne mit der Musik aufzuhören, »pah, es wird noch viele Mädchen geben. Verlaß dich drauf. Sie werden kommen, und bei so mancher wirst du dir wünschen: ach, ginge sie nur endlich wieder!«
    »Könnt Ihr zaubern?« fragte Madru. »Oder vielleicht hellsehen?« »Was man so zaubern und hellsehen nennt. Man lernt es, wenn man den ›Weg des Waldes‹ geht.«
    Sie sprachen nicht weiter darüber. Noch am Nachmittag brachen sie zur Fürstensiedlung auf. Der Jarl wollte ihnen zum Schutz drei oder vier seiner Knechte mitgeben, aber Ase wehrte ab: »Nicht nötig, Jarl. Uns schützt der Schwarze Stab, sofern uns unsere Sinne nicht schützen.«
    Madru begriff nicht recht, was er damit sagen wollte. Er beschloß, Ase unterwegs danach zu fragen. Dann umarmte er seine Mutter und den Jarl. Die Leute auf Skolund wollten ihn alle noch einmal berühren, weil das Glück bringe. Er hielt stille.
    »Nun komm«, sagte Ase, und sie gingen hinaus.
     

FÜNFTES KAPITEL
    In welchem Ase dem Sternensohn von den drei Wegen berichtet • Madru begegnet dem Tod
    Die Traumtiere beraten sein Schicksal

    In den Sommernächten wird es in Norrland nie ganz dunkel. Dazu kam in dieser Nacht der Schein des vollen Mondes.
    Madru und Ase wanderten durch einen lichten Mischwald. Hin und wieder durchquerten sie große Inseln von Farnkraut. Dann tauchten junge Birken auf und sie mußten durch verfilze Gebüsche aus Haselnußsträuchern, in denen es modrig roch.
    Ase sprach wenig. Nur gelegentlich machte er während der ersten Stunden ihrer Wanderung Madru auf ein Geräusch aufmerksam oder auf den Geruch einer seltenen Pflanze.
    Es gab keinen Weg, jedenfalls keinen solchen, den andere Reisende gebahnt hatten, und der sich als regelrechter Pfad abgezeichnet hätte. Aber auch dort, wo das Unterholz dichter wurde oder Hecken scheinbar undurchdringliche Hindernisse bildeten, steuerte Ase jeweils genau auf die Stelle zu, an der sich ein Durchlaß befand, den Madru zumeist erst erkennen konnte, wenn sie unmittelbar davor standen, während Ase ihn offensichtlich immer schon von weitem gesehen, oder wie es Madru vorkam, geahnt haben mußte.
    Stets fand Ase eine Route heraus, auf der sie eine gleichmäßig rasch ausschreitende Gangart beibehalten konnten, die Madru nicht anstrengend erschien, sie aber zügig voranbrachte. Mit der Zeit vergaß er beinahe, daß er überhaupt lief Es war, als gelinge es Ase, ihr Tempo genau der Beschaffenheit der Landschaft, den Steigungen und Absenkungen in ihr anzupassen, und so war das Laufen ein Vergnügen.
    Einmal fragte Madru: »Wie findet Ihr eigentlich bei Nacht so leicht und sicher Euren Weg?«
    »Ist da ein Weg?«
    »Muß wohl«, erwiderte Madru, »Ihr wollt doch nicht etwa behaupten, daß wir hier ziellos im Wald herumrennen!«
    »Rennen wir?« fragte Ase.
    »Verzeihung, stimmt … wir laufen

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