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Madru

Madru

Titel: Madru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Hetmann
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herübergeschickt. Er hat mir versichert, es sei alles in bester Ordnung. Und heute früh? Alle, aber auch wirklich alle Bäume verdorrt. Gerippe, dürr, braun, ohne Nadeln. Ein erbärmlicher Anblick.«
    Madru machte ein betretenes Gesicht.
    mußt dir nicht immer jede Regung gleich an der Nasenspitze Aschen lassen«, sagte der Fürst. »Übrigens, da wir gerade miteinder reden: Du solltest dir Alissa aus dem Kopf schlagen. Wir werden uns für dich nach einer anderen Frau umsehen.«
    Er klopfte Madru auf die Schulter und sagte aufmunternd: »Ich habe schon etwas im Auge. Eine hübsche Person. Und du würdest dem Land einen großen Dienst erweisen. Was du nebenher treibst, darum kümmert sich keiner.«
    »Du weißt, daß ich eigensinnig bin.«
    »Warum machst du uns und dir eigentlich das Leben so schwer? Was ist eigentlich so besonderes dran an meiner jüngsten Tochter?«
    »Ganz einfach«, sagte Madru, »ich liebe sie. Kann man erklären, warum man jemanden liebt?«
    »Ich hätte dich für einsichtiger gehalten. Überleg dir das noch einmal gut. Jetzt, da du deinen Weg gewählt hast, müssen wir auch in dieser Sache eine Entscheidung treffen.«
    Darauf wandte er sich ab. Madru ging hinaus ins Freie und hörte sich an, was die Leute redeten. Die verdorrten Segensbäumen waren immer noch Gesprächsstoff. Aber je mehr Schlehenfeuer konsumiert wurde, desto mehr gewann die Feststimmung die Oberhand über trübe Gedanken. »Frohes Fest!« riefen die Leute sich zu. »Glückliches Fest! « Die Fiedler spielten. Man tanzte im Schnee auf den Straßen und Plätzen. Man konnte in ein Haus hineingehen, dessen Bewohner man nie zuvor gesehen hatte und wurde eingeladen, mitzuessen und mitzutrinken.
    Madru schlenderte durch die Siedlung. Die Warmherzigkeit der Menschen und ihre Gastfreundlichkeit gefielen ihm. Am Nachmittag, er war schon etwas betrunken unterdessen, kam ihm der Gedanke, er müsse Alissa finden. Als er am Haus der Lehren vorbeikam, prügelten sich dort zwei Scholaren. Der eine war jener, der die verdorrten Bäume selbst zu Gesicht bekommen hatte. Er hatte sich für den »Weg der Ritter« entschieden und fühlte sich nun, um der Wahrheit willen, der er immer und überall zum Sieg verhelfen sollte, genötigt, auf einen Kameraden einzudreschen, der den »Weg des Waldes« gewählt und ihm vorgeworfen hatte, er verbreite in unverantwortlicher Weise Gerüchte. Sie riefen ihn zum Schiedsrichter an. Als Madru sich weigerte, einem von beiden recht zu geben, fielen sie gemeinsam über ihn her. Er mußte zusehen, daß er ihnen entkam.
    Er erkundigte sich im Fürstengehöft nach Alissa. Es hieß, sie sei mit ihren Schwestern ausgegangen. Er wurde nicht müde, den ganzen Abend, bis tief in die Nacht hinein, auf den Tanzfesten der wohlhabenden Freisassen, die sich einen eigenen Fiedler, manchmal sogar zwei oder drei leisten konnten, nach ihr zu suchen. Überall mußte er auch ein Gläschen Schlehenfeuer mittrinken und mittanzen. Nach Mitternacht erst war er in seiner Zelle. Die Decke schien sich zu drehen und mit ihr kreisten die Bilder des Tages: die ,bestürzten Gesichter vor dem Osttor, Alissas Lachen, das Gesicht des Fürsten ganz nahe, die zufriedenen, arglosen Gesichter der Menschen an den langen Tafeln in den Dielen der Häuser, die verzerrten Münder betrunkener Männer, die nur noch lallten, die erhitzten Gesichter der Frauen in den Häusern, in denen er am Abend nach Alissa gesucht hatte. Die Gesichter der beiden Kameraden, als er sich weigerte, dem einen oder dem anderen recht zu geben.
    Angst überkam ihn, "daß die verdorrten Segensbäume doch ein böses Omen gewesen sein könnten. All diese Gesichter ... ausgelöscht von der großen Katastrophe. Mit dieser Schreckensvision schlief er ein. Er erwachte mit Kopfschmerzen, die sich an der frischen Luft beim Weg hinaus zum Rennen verloren.
    Die Rodelstrecke führte durch ein breites Bachbett. Das Wasser war gefroren. Die Vertiefung hatte man dick mit festgestampftem Schnee ausgepolstert. Eine Stunde stieg man hinauf zum Start. Immer zwei Schlitten fuhren um die Wette. Der Sieger kam in den zweiten Lauf. Die Fahrer trugen besondere Rennkappen aus weichem Elchsleder, die den Kopf schützten. An Mund und Augen waren Schlitze ausgespart. Sobald die Rennrodler ihre Kappen aufgesetzt hatten, erkannte man nur noch an der Stimme und Statur, wen man vor sich hatte.
    Beim zweiten Lauf fuhr jeder Lenker mit einem Bremser aus einem anderen Team. Als Madru oben am Start stand und Padur

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