Madru
Halle ... kein Mensch hat da nachgeholfen. Sie sind von allein verdorrt.«
»Die große Katastrophe? Die Welt wird untergehen, aber der Wald bleibt bestehen?«
»Niemand mag sich das vorstellen. Die Tiere sagen auch, daß ich dich zum dritten Mal wählen werde. Du hast mächtige Verbündete im Klan der Wölfe. Sie werden dir gehorchen, wenn du sie rufst.«
Madru erzählte ihr, was er mit Kolwey erlebt hatte und sagte dann: »Was ich nicht begreife: Warum beißen sie nicht dem Herren seiner Frau und seinem Herren die Kehle durch. Dann wären die beiden frei?«
»Da hätten sie viele Kehlen durchzubeißen«, sagte Alissa, »gewöhnlich mischen sie sich in die Schicksale der Menschen nicht ein. Mich finden sie vielleicht ganz lustig, weil wir uns verständigen können. Und Mola ... das mußt du nicht wissen. Was Kolwey betrifft, so wird es wohl so sein, daß er nicht aus ihrem Klan ist. Einer deiner Vorfahren muß einen Wolfsnamen gehabt haben . oder Wolfsblut. Deswegen treten sie für dich ein.«
»Du weißt viel davon?«
»Nur was sie so schwatzen. Und sie vertrauen mir. Bei den meisten sind sie verachtet. Aber ich finde sie in vielem sympathischer als Menschen, die immer behaupten, Wölfe seien so grausam.« »Ich hoffe, sie schützen auch dich.«
»Mach dir um mich keine Sorgen. Jetzt bist du in Gefahr.« »Weißt du, daß sie mich verheiraten wollen?«
»Schon bald?«
»Ja, dein Vater machte gestern so eine Bemerkung.«
»Die Frau, die dich heiratet, würde ich mit eigenen Händen erwürgen. «
»Vielleicht sollten wir es nicht dazu kommen lassen«, sagte Madru lachend.
»Du meinst, ich sollte dich bald zum dritten Mal wählen.« »Vielleicht wähle ich dich«, sagte Madru.
»Du bist doch schüchtern«, sagte sie neckend, »gleich zu Anfang mußte ich schon das erste Wort sagen.«
»Ich könnte über dich herfallen ...?«
»Im Schnee«, sagte sie strafend, »wie war's übrigens mit dieser kleinen Magd?«
»Das weißt du?«
»Freilich«, sagte sie, »da ich in den Sternensohn verliebt bin, war es mir nicht völlig gleichgültig, ob er mir treu ist oder nicht.« »Hattest du Treue erwartet?«
»Nein«, sagte sie, »ich bin schon mit Ehrlichkeit zufrieden.« »Ehrlichkeit kann manchmal weh tun.«
»Wer behauptet denn, daß es immer ohne Schmerzen abgeht?« In kurzer Folge kamen zwei Schlitten vorbei.
»Ich muß gehen«, sagte Madru.
»Paß auf dich auf.«
»Ich möchte einmal ...« sagte er.
»... einen ganzen Tag und eine ganze Nacht nichts als lieben und schwatzen«, unterbrach sie ihn. »Drei Tage, drei Nächte ... eher ließ ich dich nicht wieder fort.«
»Beeil dich«, sagte er lachend, und sie warf ihm eine Handvoll Pulverschnee ins Gesicht.
Sie küßten sich und stapften in verschiedenen Richtungen davon. Den Zielrichtern im Tal erzählte Madru, sie seien gestürzt, sein Mitfahrer habe sich verletzt. Er habe ihn erst heimschaffen müssen. Niemand zog seine Geschichte in Zweifel, aber Padur murrte: »Was für einen Tölpel hast du nur als Bremser gehabt?«
»Ein Mädchen«, antwortete Madru wahrheitsgemäß.
»Willst du mich auf den Arm nehmen? Mädchen sind zum Rennen nicht zugelassen. Mädchen können wahrscheinlich überhaupt nicht Schlitten fahren. Jedenfalls habe ich nie eine gesehen, die es konnte. «
»Ich kenne eine, die es kann«, behauptete Madru.
»Ich verstehe überhaupt nicht, wie du Witze darüber machen
kannst«, sagte Padur beleidigt. »Dieser Sturz hat uns den Sieg gekostet. Wir dürfen auch nicht mehr antreten, weil unser Schlitten zerbrochen ist.«
»Es gibt noch mehr Rennen in diesem Winter«, sagte Madru lässig.
Aber das Rennen am Fest der Wintersonne sei es, das zähle, erwiderte Padur.
Am nächsten Morgen kam der Freund erbost zu Madru. Inzwischen wußte er, was sich tatsächlich zugetragen hatte, und zudem wußte es offenbar die halbe Fürstensiedlung.
»Ihr habet sie ganz schön aufgebracht mit euren Eskapaden«, meinte Padur, »zur Strafe werden sie dich ins Ehejoch stecken.« »Und wen, bitte, soll ich heiraten ... das weißt du doch sicherlich auch schon.«
»Ja«, sagte Padur, »die starke Mara, die Tochter des reichsten Kaufmanns von Österstrand.«
»Warum nennt man sie stark?«
»Wahrscheinlich ist sie etwas kräftig geraten. Aber sie soll auch ganz hübsch sein.«
»Du könntest sie mir abnehmen«, schlug Madru ihm vor. »Irgendwo hört die Freundschaft ja wohl auf«, sagte Padur.
Am dritten Festtag war es üblich, daß die Scholaren, die
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