Madru
um im Fall eines Einfalls von der See her das Hafenbecken zu sperren. Eine solche Kette mußte man im Ausland anfertigen lassen. Sie war teuer.
Ase reiste als Wegkundiger mit ans Meer. Die Fürstin und Bators Töchter blieben zurück. Die Reise sei für die Frauen zu beschwerlich, erklärte Bator, und das konnte man glauben. Der Erzdruide wurde für die Zeit der Abwesenheit des Fürsten als Reichsverweser eingesetzt. Das entsprach seiner Stellung als Mitglied im Rat vom Walde. Es gab Leute, die schlossen Wetten darauf ab, daß er Bators Abwesenheit dazu benutzen werde, um die Macht an sich zu reißen. Als Madru Bator darauf ansprach, lächelte Bator vieldeutig und meinte: »Sollen sie es nur versuchen. Sie werden sich dabei die Finger verbrennen.«
Es war Madru, der darauf gedrungen hatte, daß Padur mitkam. Vom Haus der Lehren war er beurlaubt worden. Bator sprach großspurig von einer Lehre in Diplomatie, die jedem angehenden Gouverneur nur zu wünschen sei. Madru kam es so vor, als habe Bator ein schlechtes Gewissen.
Man reiste mit Pferdeschlitten, dick in Pelze vermummt. Ein Schlitten Miliz am Anfang des Zuges, ein zweiter als Nachhut. Von Frieden landauf, landab konnte keine Rede sein. In dem Gebiet zwischen der Fürstensiedlung und Österstrand gab es Räuberbanden. Man reiste auf einer Route am nördlichen Rand des Bannwaldes drei Tage durch düsteren Fichten- und Vogelbeerwald und über einsame Heiden, über die ein beißender Wind fegte. Man kam nicht sehr rasch voran, weil die Tage kurz waren und jeweils nur vier bis fünf Stunden zum Reisen blieben. Übernachtet wurde auf den Hofstätten der Jarls. Am Abend hörte man Märchen und Harfner traten auf.
Zuerst hingen graue Wolken tief und bedrückend über Wald und Heiden. Je näher man zur Küste kam, desto häufiger klarte es auf Die Luft roch anders, nach Salz und Tang. Am vierten Tag sah Madru von einer Düne herab zum ersten Mal das Meer. Es erinnerte ihn in seiner Weite und mit den Wellen, die da kamen und gingen, ineinander verschlungen waren, an den Blick auf die Wipfel des Bannwaldes. Aber während der Wald in sich ruhte, eine gewaltige sich verschließende, Geborgenheit bietende Hecke war, schien ihm im Meer eine Kraft zu sitzen, die fortlockte, von der Ferne raunte, vom Anderen, Unbekannten. Wie ein Sog war das zusammen mit dem ungewohnten Geruch der Luft.
Sie erreichten Österstrand, eine Stadt mit Mauern und Türmen, eine Stadt, so groß und prächtig, wie Madru noch nie eine Stadt gesehen hatte. Es gab hier so manche Dinge, die aus Teilen der Welt stammten, von denen Madru wenig wußte. In einer Schenke auf einer kleinen Schaukel hielt der Wirt einen Vogel mit buntem Gefieder, der wie ein Mensch sprechen konnte. An Lagerhäusern kamen sie vorbei, aus denen es nach fremdartigen Gewürzen roch.
Sie hatten vorgehabt, in der Herberge des Fürsten Quartier zu beziehen, aber das Haus war verfallen. Es schneite zum Dach herein. Lundquist, ein Kaufmann, der sieben Schiffe besaß, der Mann, der in der Stadt den Ton angab, bot dem Fürsten des Waldes und seinem Gefolge an, doch unter sein Dach zu ziehen.
Am Morgen ging Madru mit Ase an den Hafen. Dort lagen Schiffe mit Masten höher als die beiden Bäume in der Großen Halle daheim. Sie begegneten einem Mann, der hatte tiefschwarze Haut und trug im Ohr einen großen goldenen Ring.
In Lundquists Haus wies man Madru und Padur eine Kammer im ersten Stock an. Davor lag eine Galerie, von der aus man auf eine große Diele herabsah. Im Bett, die Kissen waren nicht aus Fell, sondern aus weißem Linnen und statt des Schaffells gab es hier zum Zudecken ein Federbett. Ein großer Ofen, dessen Kacheln mit Bildern bemalt waren, machte auf Madru besonderen Eindruck. Abends gab Lundquist für den Fürsten des Waldes ein Bankett. In der Diele unten war eine große Tafel gerichtet. Jene Männer, die zusammen mit Lundquist die Stadt regierten, kenntlich an ihren Biberhüten, die sie auch bei Tisch nicht ablegten, hatten stolze herausfordernde Mienen. Bator kümmerte sich nicht um ihre nur zu offensichtliche Arroganz. Er gab sich jovial bis zur Lächerlichkeit. Beim Bankett sah Madru auch zum ersten Mal Lundquists Tochter, die starke Mara. Sie war ein Geschöpf mit einem wahren Gebirge von Busen, fleischigen Armen, einem Schmollmund und runden Wangen, die wirkten, als habe jemand Pfingstrosen darauf gemalt.
Sie prostete ihm, kaum daß man sich gesetzt hatte und die offiziellen Begrüßungsreden vorbei waren,
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